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Lungenembolie
 

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Autor

Niels Halama
 

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 Einleitung
 

 

pulmonary embolism

I26.9

Verlegung einer Lungenarterie durch einen eingeschwemmten Embolus (= abgelöster Thrombus), in mehr als 90% stammt der Embolus aus dem Stromgebiet der Vena cava inferior (Ursache für einen Embolus aus der Vena cava superior kann ein zentraler Venenkatheter sein, Schrittmacherkabel können in Ausnahmen auch einen Embolus verursachen)

 

 

 
 Epidemiologie
 

keine genauen Zahlen vorhanden, ca 200000 Fälle / Jahr (10% davon letal)

1-2% aller stationären Patienten (abhängig vom Patientenkollektiv)

 

 

 

 

postoperative Letalität bei 0,2-0,5% (und häufigste nicht erkannte Todesursache bei stationären Patienten), 50% aller Patienten mit einer diagnostizierten TVT (tiefe Venenthrombose) haben szintigraphisch nachweisbare Lungenembolien

 

 
 Pathologie
 

Embolisationsrisiko von Thromboselokalisation abhängig (>95% aus tiefen Bein- oder Beckenvenen), Embolisation von nichtthrombotischen Material sehr selten

urologische oder gynäkologische chirurgische Eingriffe, orthopädisch-chirurgische Eingriffe, Immobilisation, Alter >40 Jahre, Trauma, Paresen, Herzinsuffizienz, Adipositas, Gerinnungsstörungen (AT-III-, Protein-S-, Protein-C-Mangel), Antiphospholipid-Antikörper, APC-Resistenz, Heparin-induzierte Thrombopenie, Tumorerkrankung, orale Kontrazeptiva (umstritten!), Nikotin, Schwangerschaft, Exsikkose

 

Ausmaß der Folgen der Lungenembolie sind von der Gefäßverlegung / dem Gefäßverschluss abhängig (bei kleinen Embolien kann es aufgrund des erhöhten Sympatikotonus zu einem Anstieg des Blutdruckes kommen, bei großen Embolien kann es zu einer Steigerung des pulmonalvaskulären Widerstandes kommen und damit zu einer Abnahme des rechts- und dann linksventrikulären Schlagvolumens); ein Teil des pulmonalen Blutflusses läuft über AV-Shunts und führt dann zu einer Hypoxämie, reflektorische Mechanismen und Mediatoren bewirken zusätzlich in der Lungenstrombahn eine Verengung der pulmonalen Gefäße (und damit eine Verschlimmerung der Situation); bei einer massiven Lungenembolie kommt es akut zu einem starken Druckanstieg mit Rechtsherzüberlastung, Abnahme des Herzminutenvolumens, Blutverschiebung in den venösen Schenkel und Blutdruckabfall; Verlegungen der Lungenstrombahn von mehr als 60% werden (bei vorher gesundem Lungengefäßsystem) meist nicht überlebt; Lungenifarkte treten nur bei 10% der Lungenembolien auf, eine Reduktion des Surfactant kann bei Lungenembolien zur Ausbildung einer Atelektase führen (innerhalb von 24 h)

 

 

Lungenembolie-Klassifikation nach GREENFIELD

  • Grad I: keine Symptome
  • Grad II: leichte Hypoxämie, Sauerstofftherapie
  • Grad III: schwere Hypoxämie, Kreislaufinstabilität, Katecholaminbedarf
  • Grad IV: Kreislaufschock, Reanimation

 

 
 Diagnostik und Workup
 

 

Symptomatik, Blutgase, EKG, Röntgenbild

Bei stabilen Patienten:

1. Klinische Einschätzung:
Basis-Vortestwahrscheinlichkeit liegt bei 30%; Modifikation der Wahrscheinlichkeit

  • Zunahme bei Immobilisation, Beinschwellung, Tachykardie > 100/min, RG bei Auskultation, 4. Herzton (nicht bei vorbestehender Kardiomyopathie), lauter 2. Herzton, Pleurareiben, path. Rö-Thorax (insbesondere Pleuraerguss), akute Rechtsherzbelastung
  • Abnahme bei Palpitationen, Atemwegobstruktionen

Je nach Klinik ergeben sich daher folgende Gruppen:

  • 20% Vortestwahrscheinlichkeit (VTW): eher unwahrscheinlich, LE kommt in Frage, aber DD stehen in Vordergrund
  • 50% VTW: LE wahrscheinlich, steht als DD im Vordergrund
  • 80% VTW: LE hoch wahrscheinlich, DD weit im Hintergrund

2. Ventilations-Perfusions-Szintigraphie:
basierend auf PIOPED-Studie (JAMA 1990; 263:2753)
 
Vortestwahrscheinlichkeit
Szintigraphiebefund 20% 50% 80%
Hohe Wahrscheinlichkeit
VW mismatch
65% 88% 97%
Unbestimmte Wahrscheinlichkeit 11% 32% 66%
Niedrige Wahrscheinlichkeit
VQ match
4% 12% 36%
Beinahe Normalbefund 1% 4% 14%
Normalbefund 0% 0% 0%

3. Vorgehen
Nachtestwahrscheinlichkeit Vorgehen
>80% Behandeln!
30-80% nach Radiology 2000; 174:1041-1047
Duplex positiv Behandeln!
  negativ CT Angio positiv Behandeln!
(NTW 85%->95%)
      negativ Nicht behandeln
(NTW 3-8%)
10-30%  
Duplex positiv Behandeln!
  negativ D-Dimere >500 ug/l CT Angio positiv Behandeln!
(NTW 75-80%)
          negativ Nicht behandeln
(NTW <3%)
      <500 ug/l Nicht behandeln
(NTW <2%)
<10% Nicht Behandeln

unspezifische oder diskrete Befunde (z.B. Rechtsherzbelastung)

Röntgen-Thorax (nur in 40% auffällig): gestaute A. pulmonalis, akute Herzvergrößerung, Zwerchfellhochstand, "Gefäßlücken", Westermark-Zeichen (Abbruch der A. intermedia), einseitiger Pleuraerguß (klein), ggf Atelektasen, Hampton-Zeichen (keilförmige Verdichtung oberhalb des Diaphragmas), Palla-Zeichen (verlängerte deszendierende rechte Pulmonalarterie)

Echokardiographie (bei Verlegung von >30%): bei 80% der Patienten findet man Veränderungen an Funktion (Hypokinesie) und Größe (Vergrößerung) des rechten Ventrikels, evtl auch Trikuspidalinsuffizienz, paradoxe systolische Bewegung des Septums zum linken Ventrikel hin, Ausschluss anderer kardialer Ursachen, evtl direkter Thrombusnachweis, fehlender inspiratorischer Kollaps der Vena cava inferior

evtl Rechtsherzkatheter: Pulmonalarteriendruck und pulmonaler Gefäßwiderstand sind erhöht

Pulmonalisangiographie / DSA: Goldstandard (Indikation nur bei Unklarheit und bei therapeutischen Konsequenzen!), "Füllungsdefekte" und Gefäßabbrüche werden sichtbar

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Thorax-CT in Spiraltechnik: größere periphere Emboli lassen sich darstellen

CT-Angiographie / MR-Angiographie: A. pulmonalis wird bis zu den Subsegmentarterien dargestellt
! Bei Kontrastmittelgabe auf Nierenfunktion achten. Ist das Kreatinin erhöht, so kann vor dem CT 1.4% (isoton) Bikarbonat gegeben werden (3ml/kg über 1h i.v.), nach der Untersuchung dann nochmals 1ml/kg/h über 6h i.v.

Ventilations-Perfusionsszintigraphie (mit 99m Technetium in Form von Albuminmakroaggregaten): keine Darstellung des Embolus, nur im Vergleich mit Voraufnahmen oder Thoraxröntgenbildern kann der Verdacht erhärter werden (bei 50% findet man unspezifische Veränderungen, weiter diagnostische Maßnahmen erforderlich), bei Normalbefund kann eine Lungenembolie ausgeschlossen werden

weitere Möglichkeit: Elektronenstrahltomographie (EBT)

Nachweis der TVT (tiefe Venenthrombose): Kompressions- und Farbduplex-Sonographie, evtl. Phlebographie oder DSA

30% normal

90% Sinustachykardie

49% ST/T-Streckenveränderungen

6% P-pulmonale aufgrund von Volumenbelastung, RV-Hypertrophie, inkompletter Rechtsschenkelblock (10%), SI-QIII-Typ

10% Rhythmusstörungen: supraventrikuläre Extrasystolen, Vorhofflimmern, ventrikuläre Extrasystolen, selten Vorhofflattern

D-Dimere positiv (DD: Operationen, Tumorerkrankungen, DIC) [Sensitvität 100%] (klinische Praxis: das negative Testergebnis hilft bei ansonsten geringer klinischer Wahrscheinlichkeit die Lungenembolie als DD auszuschließen), Blutgase mit pO2 und pCO2 erniedrigt (pO2 kann bei leichteren Embolien noch normal sein!)

 

CAVE: 70% der letalen Lungenembolien verlaufen in mehreren Schüben mit progressiver Zunahme der Emboli!

 

 

 

 
 Symptome und Befunde
 

1.

Dyspnoe / Tachypnoe (90%)

2.

Tachykardie

3.

Thoraxschmerzen, pleurale Schmerzen (70%)

4.

Angst (Panik mit Todesangst) (60%)

5.

Husten (50%), evtl. Hämoptysen (10%)

6.

vegetative Symptomatik: Schweißausbruch (30%)

7.

Synkope (15%)

8.

Schock (15%)

 

 
 Verlauf und Prognose
 

 

80% der Lungenembolien treten ohne klinische Warn-Symptome auf

Pleuritis, Pleuraerguß, Lungeninfarkt, Infarktpneumonie, Abszessbildung, chronisches Cor pulmonale, rezidivierende Embolien, Rechtsherzversagen

die Mortalität ist abhängig vom Ausmaß der Obstruktion und kann von 30% auf 8% bei adequater Therapie gesenkt werden, bei 86% kommt es (nach akuter Lungenembolie) nach adequater Therapie zur kompletten Rückbildung (oder minimalen Residuen), bei schwereren Lungenembolien liegt die Letalität zwischen 25 und 50% (oder darüber).

Eine neuere prospektive multicenter-Studie (Pengo 2004) hat das Risiko für das Auftreten einer pulmonalen Hypertonie nach symptomatischer Lungenembolie untersucht: die Manifestation einer pulmonalen Hypertonie 3.8%, die sich in allen Fällen innerhalb der ersten beiden Jahre nach der symptomatischen LE manifestierten (Die Komplikation ist also zum einen häufiger als bisher angenommen und zum anderen keine Spätfolge). Die folgenden Faktoren erhöhten das Risiko für die Manifestation einer pulmonalen Hypertonie: frühere LE, junges Alter, schwere LE, idiop. LE (ohne bekannte Risikofaktoren).

bei bekannten Risikofaktoren hilft (wenn sich die Risikofaktoren nicht vermeiden lassen) nur eine medikamentöse Prophylaxe, evtl Einbau eines Vena-cava-Filters (eines GREENFIELD-Schirmchens) bei rezidivierenden Embolien

 

 
 Differentialdiagnosen
 

1.

Myokardinfarkt / Akutes Koronarsyndrom

2.

Lungenödem

3.

Asthmaanfall, exazerbierte COPD

4.

Pneumonie, Akute Bronchitis

5.

Bronchialkarzinom

6.

Aortendissektion

7.

Perikardtamponade

8.

primäre Pulmonale Hypertonie (PPH)

9.

Pneumothorax (ggf. aufgrund einer Rippenfraktur)

10.

Kostochondritis

Gallenkolik, Pankreatitis, Ulcusperforation, etc.

innere Blutung, Infektionen, etc.

 

 
 Therapien
 

bei Kreislaufstillstand: Reanimation, dann halbsitzende Lagerung, Sedierung & Schmerztherapie, Sauerstoffgabe (6 l / min), ggf Beatmung, wenn möglich zentralvenösen Zugang legen, Kreislaufstabilisierung mit Katecholaminen (z.B. Dopamin 3-30 mg / kg / min), Heparin 5000 IE i.v.(dann 1000-2000 IE i.v. / h über Perfusor), ggf Lysetherapie

Sauerstoffgabe, Bettruhe

Akuttherapie mit Heparin (initial 5000 IE unfrakt Heparin, dann >30000 IE / 24h, PTT auf das 1,5-2,5 fache einstellen) oder niedermolekularem Heparin (und Marcumar), Langzeittherapie mit Marcumar (bis etwa 6 Monate, bei Risikofaktoren ohne Begrenzung)

bei massiven Lungenembolien, CAVE: Kontraindikationen (Operationen, etc), bei Lyse mit Streptokinase oder Urokinase muss Heparin abgesetzt werden (bei Lyse mit t-PA nicht!), Dosierung: 100mg t-PA i.v. über 2 Stunden, Anschlussbehandlung mit Heparin und überlappender Cumarin-Therapie

pulmonale Embolektomie (Trendelenburg-OP: ohne Verwendung der Herz-Lungen-Maschine) bei Versagen der konservativen Therapie innerhalb der ersten Stunde (Letalität 50%)

mechanische Fragmentierung, Ultraschall-Thombolyse, lokale Fibrinolyse

 

 
 Referenzen
 

TIM 1999, S. 1581-1587

Herold 2002, S. 685-688

Ziegenfuß 2001, S. 224-225

 

Pengo 2004

 

 

 
 Editorial
 

Niels Halama

13.12.2002

Andreas Stefan Welker, 22.12.2003

Tobias Schäfer (Editor)

Wibke Janzarik, 23.06.2004

 

PRELIMINARY

Lizenz für freie Inhalte

 
 Kommentare
 
 
  Andreas Stefan Welker schrieb am 14.07.2004 um 19:17 Uhr:
 

Sehr schöner Artikel!
Bei Diagnostik und Workup wird die positive Aussagekraft der D-Dimere betont; bei dieser Laboruntersuchung ist jedoch der negative Befund (keine D-Dimere = keine Lungenembolie) fast noch wichtiger, da der positive Befund zu viele DD´s hat. Vielleicht könnte man das noch irgendwie einbauen.
Bei den DD´s wird unter thorakale DD´s nur Lungenödem und Asthmaanfall genannt. Bevor die ganze Diagnostik läuft, ist der Herzinfarkt jedoch eine der wichtigsten DD´s überhaupt. Wäre schade, wenn er unter etc. verschwindet.
Viele Grüße,
Andreas

 
  Andreas Stefan Welker schrieb am 14.07.2004 um 19:17 Uhr:
 

Eine sehr schöne Übersicht. Leider habe ich keine Rückmeldung des Autors bezgl. meiner Anmerkung bekommen und habe nun auf eigene Faust die entsprechenden Zeilen abgeändert.
Eine gelungene Übersicht über ein diagnostisch nicht ganz einfaches Gebiet.

 
  Tobias Schäfer schrieb am 14.07.2004 um 19:17 Uhr:
 

Hallo Andreas,

ich bin mit Deinem Vorgehen einverstanden. Es gibt eine aktuelle Studie von Wells et. al. (NEJM 349:1227ff.), die D-Dimere bei TVTs untersucht und in das gleiche Horn stößt. Bemerkenswert gut ist übrigens auch der Review von Fedullo (ebd. 349:1247-56); den kann ich zur weiterführenden Lektüre jedem Leser empfehlen.
Vielen Dank für Deinen Review.

Tobias

 
  Niels Halama schrieb am 14.07.2004 um 19:17 Uhr:
 

Hallo Andreas, hallo Tobias,
da ich erst jetzt wieder Zugang zum Internet habe hier nun meine Anmerkungen zum bisherigen Verlauf.
Ersteinmal finde ich die Kommentar-Felder als Kommunikationsplattform äußerst ungeeignet, besonders wenn es sich um Themen wie Rückmeldungen bei Review-Prozessen handelt. Schließlich sind alle Autoren via e-mail leicht zu erreichen. Desweiteren bestand bei diesem Artikel kein Zeitdruck (und eine vernünftige Antwort muß recherchiert werden) und wie sich mir der Verlauf darstellt, wäre eine Intervention meinerseits nützlicher abgelaufen.
Umsomehr finde ich eine genaue Betrachtung des Sachverhaltes D-Dimere wichtig. Besagte Studie von Wells war übrigens bei TVT und nicht bei Lungenembolie, womit der Kernpunkt aufzuführen wäre: "in a patient who is judged clinically unlikely". Das möge man doch beachten, auf diese Tatsache verweist übrigens Fedullo ebenso! Eine weitere gute Übersicht liefert Goldhaber (NEJM 339:93) zu diesem Thema, auch wenn sie etwas älter ist. Aufgrund der obigen Ausführungen habe ich den Text zu D-Dimeren ergänzt. Weiter:
Differentialdiagnosen habe ich überarbeitet und ergänzt (danke für den Hinweis), Tippfehler bei den vorgenommenen vorherigen Änderungen korrigiert.
Vielen Dank für den genauen Review!

 
 

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