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Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung
 

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Tobias Schäfer
 

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 Einleitung
 

autosomal-dominante (adulte) polyzystische Nierenerkrankung

Potter III

autosomal dominant polycystic kidney disease

ADPKD

polycystic kidney disease

 

AD-vererbte Erkrankung mit Proliferation der Tubulusepithelien und Bildung von multiplen Zysten

nicht mehr gebräuchlich:

  • IIIa: relativ harmlos
  • IIIb: mit tuberöser Sklerose und Hamartomen
  • IIIc: regressive Form mit multiplen anderen Anomalien

jetzt: nach Genort

  • 85-90% PKD1: späteres Manifestationsalter, längere Lebenserwartung
  • 10-15% PKD2: früheres Manifestationsalter, schnellere Progredienz

 

 
 Epidemiologie
 

pränatal sehr selten, später häufig: 1 : 1.000 (Olmsted County); 1 : 800 Lebendgeburten [R1]; Frankreich 1:1111, Wales 1:2459; Japan 1:4033

500.000 Personen in den USA; 4 - 6 Millionen weltweit [R1]

Manifestationsalter meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr; Typ II (PKD2) etwas später als Typ I (PKD1)

 

bei Männern etwas schnellere Progression

 

 

 
 Pathologie
 

 

 

autosomal-dominant

16p13.3 (distales Drittel; PKD1)

4q21-23 (PKD2)

assoziierte Fehlbildungen: Zysten in Leber, Pankreas, Milz

Zwei Gene:

PKD1: Polycystin-1 (ca. 85%)
großes Protein (462 kDa, 11 Transmembrandomänen, lange N-terminale extrazelluläre und kurze C-terminale intrazelluläre Domäne) aus einem 14,5 kB Transkript; Membranrezeptor für verschiedene Liganden; startet Phosphorylierungskaskaden; Theorie: Mechanorezeptor, der Multiproteinkomplexe an "focal adhesions", Zell-Zell-Verbindungen und Zilien bildet. Steuerung der renalen Morphogenese und Differnezierung einschließlich Tubuli-Durchmesser über Regulation der Expression von Proteinen mit Einfluß auf Epithelproliferation, Adhäsion und Migration

PKD2: Polycystin-2 (ca. 15%)
110 kDa-Protein (6 Transmembrandomänen, intrazelluläre N- und C-terminale Domänen) aus einem 5,6 kB Transkript; wahrscheinlich Calcium-permeabler oder nicht-selektiver Kationenkanal (Ähnlichkeit mit voltage-activated L-Typ-Ca oder Na-Kanälen), der mit dem Polycystin-1-Komplex interagiert. Ev. beteiligt am Transport von Polycystin-1 vom ER zur Plasmamembran.

Two-hit-Hypothese mit somatischer und Keimzellmutation; Haploinsuffizienz; hypomorphe Allele; bei continuous gene syndrom mit TSC2-Genmutation auch im Kindesalter

doppelseitig, 100 - 1.000 Zysten bis mehrere cm Durchmesser (maximal 10 - 20 cm), auch (v.a. bei Frauen) in der Leber

 

 

 
 Diagnostik und Workup
 

 

positive Familienanamnese, Ultraschalldiagnostik; genetischer Screen aufgrund uniquer Mutationen schwierig

 

Ultraschalldiagnostik: Nieren mit vermehrter Echogenität, multiple Zysten, normale oder verminderte Fruchtwassermenge, pränatal extrem seltene Manifestation

Altersabhängige Diagnosekriterien im Ultraschall (nicht für CT oder MRT):

  • <30 Jahre: 2 uni- oder bilaterale Zysten (Sensitivität 100% bei PKD1, 67% bei PKD2)
  • 30-59 Jahre: 2 Zysten je Niere
  • ab 60 Jahre: 4 Zysten je Niere
  • zum Vergleich: Im Ultraschall wird bei 0% der gesunden 15-29jährigen mindestens eine Zyste gesehen (30-49: 1,7%; 50-70: 11,5%; >70: 22,1%). Bilaterale Zysten: (30-49: 1%; 50-70: 4%; >70: 9%).

 

Screening bei Diagnose: MR-Angio-Schädel für Aneurysmata (nur bei positiver Familienanamnese für Aneurysmata oder Subarachnoidalblutung, größere elektive Operationen, Risikoberufe wie Pilot usw.). Nach initial negativem Ergebnis Risiko eines neuen Aneurysmas 3%/10 Jahre, daher evtl. erneutes Screening nach 5-10 Jahren

 

 

 

 

 
 Symptome und Befunde
 

1.

Frühe Nierenfunktionsstörung (vor Beginn der Zystogenese)

  • 60% der Kinder: gestörter Konzentrationsdefekt (erhöhte Vasopressin-Konzentrationen?)
  • Reduktion des renalen Blutflusses

2.

Flankenschmerzen: häufigstes Symptom (60% der Patienten)

2.

90% Pathologisches Harnstatus: Proteinurie, Hämaturie

3.

Nephrolithiasis (20% der Patienten): Harnsäure oder Calciumoxalat

4.

Disposition für Harnwegsinfektion, evtl. mit Infizierung der Zysten (Nierenabszeß)

5.

Hypertonie: ca. 50% der Patienten zwischen 20-34 Jahre und normaler Nierenfunktion (einhergehend mit Reduktion des renalen Blutflusses, erhöhte GFR, Natriumresorptionsstörung, Aktivierung des intrarenalen RAAS und Remodelling der Nierengefäße)

6.

evtl. renale Anämie (lokale Ischämien)

7.

Nierenzellkarzinome sind NICHT häufiger als in der Normalbevölkerung

1.

Polyzystische Lebererkrankung

  • i.d.R. asymptomatisch
  • bei entsprechender Größe / Anzahl Dyspnoe, frühe Sättigung, gastroösophageler Reflux, Rückenschmerzen
  • selten Schmerzen aufgrund Blutung, Infektion oder Torsion/Ruptur
  • Einzelfälle: kongenitale Leberfibrose, Adenome der Papilla Vateri und Cholangiokarzinome

2.

Zysten in anderen Organen:

  • Vesicula seminalis (40% der Männer)
  • Pankreas (5%) - fast immer asymptomatisch
  • Arachnoidea (8&) - asymptomatisch, erhöhtes Risiko für subdurale Hämatome
  • NICHT: Ovarialzysten

3.

Kardiovaskulär

  • Aortenaneurysma
  • intrazerebrale Aneurysmen (6-16%) - meist asymptomatisch
  • Mitralklappenprolaps (25% der Patienten im Echo; Screening jedoch nur bei Herzgeräusch)
  • Aorteninsuffizienz (bei Dilatation der Aortenwurzel)

4.

Gastrointestinal

 

 
 Verlauf und Prognose
 

 

Lebenserwartung:

  • PKD1: 53 Jahre
  • PKD2: 69,1 Jahre

ESRD:

  • PKD1: 54,3 Jahre
  • PKD2: 74 Jahre

Consortium of Radiologic Imaging Studies to assess the Progression of Polycystic Kidney Disease (CRISP): Zystenwachstum von 5,3% / Jahr oder 204 ml; PKD1 mehr Zysten als PKD2 (at baseline)

GFR nimmt pro Jahr um ca. 5 ml (4,4 - 5,9 ml) ab (=> 10 Jahre bis zur Dialyse; große interindividuelle Varianten. Risikofaktoren:

  • Männer (v.a. mit PKD2-Mutationen)
  • Schwarze
  • erste Makrohämaturie vor dem 30. Lebensjahr
  • Hypertonie vor dem 35. Lebensjahr
  • Hyperlipidämie, niedriges HDL
  • initiale Hyperfiltration

 

Urämie und Niereninsuffizienz bei 50-60% im Erwachsenenalter; häufig auch Aneurysmenblutung

 

 

 
 Differentialdiagnosen
 

siehe Zystennieren, insbesondere MDCK1/2 (Nieren eher klein), von-Hippel-Lindau

 

 
 Therapien
 

Blutdruckeinstellung empfohlen

  • Zielblutdruck unklar, aktuell 130/80 mmHg empfohlen
  • optimales Agens unklar, ACE-Hemmer sollte im Regime enthalten sein (evtl. langsamere Progression der Erkrankung??)

  • Ausschluss von Infektion, Steinen, Tumoren
  • Lifestyle-Änderungen: Vermeidung auslösender Aktivitäten
  • Nephrotoxine meiden, evtl. TCAs, Splanchnicus-Blockaden
  • CT-gesteuerte Zystenaspiration und Sklerosierung
  • Laparoskopische Zystfensterung
  • keine guten Outcome-Daten vorhanden

schwierige Behandlung, lipophile Antibiotika bevorzugen, falls Fieber 1-2 Wochen unter Behandlung andauert, chirurgische Maßnahmen (u.a. Drainage) erwägen

  • ausreichende Trinkmenge zur Prophylaxe
  • Kaliumcitrat für Harnsäuresteine, hypocitraturische Calciumoxalatsteine, distale Azidifikationsstörungen
  • ggf. ESL, perkutane Nephrostolithotomie

Dialyse (oft besser verträglich als bei anderen Dialysepatienten; aufgrund höherer Epo-Spiegel?), Nierentransplantation (ggf. mit Nephrektomie der Zystenniere)

meist keine Behandlung erforderlich, Koffein (cAMP-Stimulation) und Östrogene meiden, sehr selten perkutane Zystaspiration mit/ohne Sklerosierung oder Leberteilresektion erforderlich; bei Infektionen perkutane Drainage und Antibiose, Cotrimoxazol zur Propylaxe

International Study of Unruptured Intracranial Aneurysms: Kumulatives 5-Jahres-Rupturrisiko für Patienten ohne vorausgegangene Subarachnoidalblutung
LokalisationGrößeRupturrisiko
A. carotis interna,
A. cerebri anterior,
A. communicans anterior
<7 mm0%
7-12 mm2,6%
13-24 mm14,5%
>=25 mm40%
A. basilaris,
A. cerebri posterior,
A. communicans posterior
<7 mm2,5%
7-12 mm14,5%
13-24 mm18,4%
>=25 mm50%

i.d.R. konservatives Management: Nikotinkarenz, Behandlung von Bluthochdruck und Hyperlipidämie

1.

Phase II/III: Vasopressin-II-Rezeptor-Antagonisten (VPV2R; z.B. Tolvaptan; kein Effekt auf Leberzysten; NW: Diabetes insipidus)

2.

Phase II: Everolismus, Rapamycin: Wirksam bei TSC1 / 2, auch bei ADPKD (NW: [[1288/Hyperlipidämie">Hyperlipidämie, weniger in Kombination mit Ciclosporin A

3.

Andere Zielmoleküle:

  • Erb-B1
  • Erb-B2 Tyrosinkinase
  • Src Kinase
  • MEK
  • CDK

 

 
 Referenzen
 

Diedrich 2000, S. 318.

Herold 2002, S. 537f.

Wilson 2004

 

 

 

 
 Editorial
 

Tobias Schäfer

18.10.2002

 

Tobias Schäfer, 08.01.2004

Tobias Schäfer, 14.04.2007

 

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