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Hyperviskositätsyndrom
 

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Auf einen Blick
 

Autor

Manuel Anhold
 

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 Einleitung
 

Hyperviskositätssyndrom

Serumhyperviskositätssyndrom

HVS

serum hyperviscosity syndrome

R70.1

Das Plasmahyperviskositätssyndrom bezeichnet einen klinischen Symptomenkomplex, der infolge pathologisch gesteigerter Blutviskosität auf der Basis massiv erhöhter und z.T. aggregierender monoklonale Immunglobuline (Paraproteine) entsteht. Es ist eine typische Trias mit Hämorrhagie, visuellen Störungen und neuropsychiatrischen Defiziten beschrieben.

 

 

 
 Epidemiologie
 

 

Paraproteine findet man zu 3-4% beim Plasmozytom (IgG-Typ), zu 5-10% bei IgA-Paraproteinämie, zu 10-30% beim Morbus Waldenström (IgM, klassisch). Die relativen Häufigkeiten für das HVS betragen 4% beim Morbus Waldenström, 35% beim IgG-Plasmozytom und 12% beim Plasmozytom vom IgA-Typ. Da die Inzidenz des Plasmozytoms etwa 10-mal größer als die der Makroglobulinämie ist, stellen Plasmozytome die häufigste Ursache des Hyperviskositätssyndroms dar.

Gemäß einer großen retroskpektiven Studie der Mayo-Klinik aus den 70er Jahren an Plasmozytom-Patienten konnte gezeigt werden, dass das Multiple Myelom zu 98% in der Altersklasse oberhalb des 40. Lj. zu finden ist. Die meisten Dyskrasien- als Hauptursache des Haperviskositätssyndroms- werden nicht vor dem 70. Lebensjahr diagnostiziert.

 

61% der Dyskrasien betrifft Männer.

 

 

 
 Pathologie
 

Plasmozytom (Multiples Myelom, M. Kahler)

Makroglobulinämie (Immunozytom, Morbus Waldenstrøm)

Polyzythämie

Benigne monoklonale Gammopathien

Polyklonale Gammopathien (Plasmazellen-Leukämie)

Benigne Erkrankungen (z.B. Felty-Syndrom, Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis. Hyperfibrinogenämie (selten), Akute-Phase-Reaktion bei Infektionen, KHK)

Infektionen mit Akute-Phase-Reaktion

 

 

Die Plasmaviskosität und mit ihr die rheologischen Eigenschaften des Blutes sind abhängig von dessen Strömungsgeschwindigkeit, seiner Temperatur, den physikochemischen Eigenschaften und der Konzentration gelöster Proteine sowie der zellulären Bestandteile.

Aufgrund der relativ häufigeren Beeinflussung der Vollblutviskosität ducrh zelluläre Bestandteile ist es sinnvoll, hier die Plasmaviskosität abzugrenzen.

Es bestehen geringe intraindividuelle und große interindividuelle Unterschiede hinsichtlich der Grenzparaproteinkonzentrationen. Entsprechend lässt sich von der Höhe der gemessenen Paraproteinkonzentration nicht sicher auf das HVS schließen.

Es besteht eine Abhängigkeit des HVS von relativer Molekülmasse, Molekularkonfiguration, Kohlenhydratanteil und der Aggregationsfähigkeit der zugrunde liegenden Paraproteine.

Die Plasmaviskosität steigt linear mit der Konzentration des gelösten Paraproteins, insbesondere gilt dies für den Immunglobulin-Subtyp IgG1 bei Überschreitung einer Konzentration von 120-130g/l.

Die Bildung irreversibler Paraprotein-Aggregate durch Disulfidbrücken (besonders IgA, IgG3) führt ebenso zur Viskositätszunahme.

Beim M. Waldenstrom kommt es zur Erhöhung von IgM. Aufgrund der Größe des Pentamers genügen bereits Konzentrationen um 40g/l für ein HVS. IgM besitzt ein durch seine Molekülmasse und die Tendenz zur Hochpolymerbildung ein hohes Aggregationsvermögen. Bestimmte Paraproteine (v.a. IgG3) bilden temperatur- und konzentrationsabhängig reversible Aggregate mit Aggravation der HVS-Problematik.

Auch die Aggregation von Paraproteinen mit anderen Plasmaproteinen führt zur Elevation der Blutviskosität. Dies wurde beim Felty-Syndrom, dem Sjøgren-Syndrom under der rheumatoiden Arthritis beobachtet (IgG-IgG, IgM-IgG, IgA-IgG).


Die gelegentlich auftretende paraprotein-induzierte Thrombozytopathie und intravasale scheinen ursächlich u.a. mit einer Thrombozytenfunktionsstörung durch Besetzung der Thrombozytenoberfläche und deren Rezeptoren zusammenzuhängen.


Außerdem interagieren die Paraproteine mit der regelrechten Fibrinbildung: IgG-Paraprotein richtet sich gegen die Faktoren II, VII, X und Thrombin; IgA und IgM besonders gegen V und VIIIc.


Durch Zunahme des onkotischen Druckes kommt es im Rahmen des HVS zur Plasmaexpansion (Hypervolämie), mit sekundärer Entwicklung von Herzinsuffizienz und Angina pectoris. Gerade IgA- und IgM-Paraproteine besitzen ein hohes Aggregationsvermögen mit Ausbildung einer kompensatorischen Hämodilution und Lungenödem.

 

 

Es resultieren u.a.

  • Mikrozirkulationsstörungen
  • paraprotein-induzierte Thrombozytopathien, intravasale Koagulopathie, Kryoglobulinämie (Vaskulitiden)
  • Gerinnungsstörung durch Interaktion der Paraproteine mit der regulären Fibrinbildung, IgG-Paraproteinbildung mit den Faktoren II, VII, X und Thrombin und IgA-/IgM-Wirkung gegen fV und fVIIIc.
  • onkotische Drucksteigerung mit Plasmaexpansion (Hämodilution, Hypervolämie): Es resultieren Lungenödem und therpierefraktäre Herzinsuffizienz
  • periphere Neuropathien kommen in 25% der Fälle bei M. Waldenstrom vor (hohe Affinität von IgM zu Axonen und Gliagewebe, wahrscheinlich durch Kohlenhydratanteil) => neuropsychiatrisches Hypermakroglobulinsyndrom

Das Plasmahyperviskositätssyndrom wurde 1965 mit der typischen klinschen Befund-Trias Blutungen, Sehstörungen und neuropsychiatrischen Veränderungen von Fahey, Barth und Solomon unter der Bezeichnung "serum hyperviskosity syndrome" beschrieben.

 

 
 Diagnostik und Workup
 

  • Messung der Plasmaviskosität bei symptomatischen Patienten
  • Kapillar- / Ostwald-Viskosimetrie (Norm: >4mPa x s)
  • Normwerte: Serumflusszeit : Flusszeit von Wasser
    1.4-1.8: normal
    2 - 4 : selten Symptome
    5 – 9 : meist symptomatisch
    >10 : immer Symptome

Diagnose ist bei bekannter Grunderkrankung leicht zu stellen.

Mittlere Paraproteinkonzentration bei HVS:
IgM: 4 – 8g/dl (nicht linear!)
IgG: 8 - 9g/dl
IgA: 4 - 4,5g/dl

Körperliche Untersuchung und Ophthalmoskopie

 

  • Schädel-CT bei Bewusstseinsstörung, Krämpfen, fokal-neurologischen Defiziten
  • Kontraindikation für Kontrastmittelgabe bei Multiplem myelom wegen erhöhtem Risiko des Nierenversagens.
  • Thorax-Röntgen indiziert zum Infektausschluss, zur Diagnostik der kongestiven Herzinsuffizienz (high-output Insuffizienz)

  • Schwierigkeiten bei der Blutentnahme (rezidivierend verstopfte Kanüle)
  • Problematischer Blutausstrich (Klumpenbildung)

Sturzsenkung (BSG >100mm/1h)

Serumelektrophorese und Immunfixtion: Paraproteine

Kryoglobuline

Blutbild, Diff.-Blutbild

Retentionswerte

Gerinnungsstatus

Pseudohyponatriämie: Wasserbindung durch onkotischen Druck der Paraproteine mit falsch-niedrigen Natrium-Werten

Immunglobuline im Urin

Knochenmarkspunktion/-biopsie

 

 

 

 

 
 Symptome und Befunde
 

(>75% d.F.)

  • Schwäche
  • Müdigkeit (Fatigue)
  • Anorexie
  • Atemnot

(45-65% bei IgM, 10% bei IgG, 35% bei IgA)

  • Haut
  • Schleimhäute (Epistaxis, spontane Mundschleimhautblutungen)
  • GI-Trakt (Rektalblutungen
  • Urogenitaltrakt (Menorrhagia)

(35-65% bei IgM, 8% bei IgG, 20% bei IgA)

  • Retinale Blutungen
  • Papillenödem
  • Wurstkettenvenen (generell oder segmentär erweiterte Venen)
  • Sehstörungen (Verschwommensehen bis Amaurose)

(15-20% bei IgM, 5-10% bei IgG, 15% bei IgA)

  • Cephalgien
  • Schwindel
  • Nystagmus
  • Hörverlust
  • Ataxie
  • periphere Neuropathien (Paresthesien, Paresen)
  • Bewusstseinsstörungen (Somnolenz, Stupor, Koma)
  • EEG-Veränderungen
  • Krampfanfällen
  • Raynaud-Syndrom
  • Neuropsychiatrisches Makrohyperglobulinsyndrom (Bing-v.Neel-Syndrom)

  • Hypervolämie (Lungenödem)
  • therapie- (Digitalis-) refraktärer Herzinsuffizienz
  • Angina pectoris

 

 
 Verlauf und Prognose
 

 

Die zugrunde liegenden Erkrankungen sind zumeist chronisch, weshalb Persistenz der Beschwerden oder Rezidive häufig sind.

Das Auftreten von Komplikationen ist an die Grunderkrankung gebunden.

Abhängig von der Grunderkrankung, den auftretenden Komplikationen und der schwere des HVS. Das Multiple Myelom beispielsweise besitzt eine ungünstige Langzeitprognose.

Aufklärung des Patienten über Frühzeichen der Erkrankung.

 

 
 Differentialdiagnosen
 

1.

Polycythaemia vera (Aderlasstherapie)

2.

Hyperleukozytose (Zytapherese)

3.

Essentielle Thrombozythämie (α-Interferon)

hämorrhagisch, ischämisch

 

 
 Therapien
 

1.

Beim (Plasma-) Hyperviskositätssyndrom (HVS) handelt es sich um einen zwar seltenen, jedoch schwerwiegenden onkologischen Notfall.

2.

Vermeidung von Diuretika und Erythrozytensubstitution

3.

Therapie der Grundkrankheit, z.B. Zytostatika bei Plasmozytom und M. Waldenstrøm

Therapie der Hämorrhagie, Anämie, Herinsuffizienz, metabolischer Entgleisung sowie neurologischen Defiziten mit Standardtherpie

Kriterien: Koma, Krampfanfälle, Visusverlust, unbeherrschbare Blutung, progrediente Niereninsuffizienz, sowie therapieresistente Herzinsuffizienz.

Maßnahmen: Plasmapherese als Therpie der 1. Wahl
Ziel: Gleichzeitige Senkung von Proteinkonzentration, Plasmaviskosität, Hypervolämie hämorrhagischer Diathese, neurologischen Ausfällen, sowie Retinopathie und kardiovaskulären Störungen. Es werden bis zu 7 (5-20) Liter Plasma filtriert.
Modifizierte/selektivere Elimination: Kaskadenfiltration, Kryopräzipitation

Bei Rückbildung der Symptome genügen 1-2 Plasmapheresen à 1-2 Liter wöchentlich. I.d.R. Gute Verträglichkeit von Plasmapherese und Plasmaaustausch

Hämatologe, Onkologe

 

 
 Referenzen
 

Herold 2004

Baenkler 1999

Kaplan UpToDate

Bloch 1973

Kwaan HC

Hussein 1994

Fahey 1965

Kyle RA 1975

D'Alessio 1996

 

 

 
 Editorial
 

Manuel Anhold

11.01.2004

Helmar Weiss (Editor)

Tobias Schäfer, 11.02.2004

 

PRELIMINARY

Lizenz für freie Inhalte

 
 Kommentare
 
 
  Manuel Anhold schrieb am 24.01.2004 um 17:54 Uhr:
 

Hallo,

würde mich über euer Review freuen.

Gruss
Manuel

 
 

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