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Plasmozytom
 

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Tobias Schäfer
 

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 Einleitung
 

Multiples Myelom

Morbus Kahler

 

C90

aggressives B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom mit diffuser oder multilokulärer Infiltration des Knochenmarks. Ausgangspunkt ist ein Klon maligne transformierter Plasmazellen (B-Zellen), die den Knochen zersetzen und die normale Blutbildung verdrängen. Plasmozytomzellen bilden Immunglobuline eines einzigen Idiotypen = monoklonale Immunglobuline (IgG, IgA, IgD) oder nur Leichtketten (κ oder λ). Die osteolytische Aktivität der Osteoklasten wird durch Interleukine 1 und 6 sowie den Tumornekrosefaktor α und β vermittelt (= osteoklastenaktivierende Faktoren).

IgG-Plasmozytom (54 %)
IgA-Plasmozytom (25 %)
IgD-Plasmozytom (1 %)
Leichtketten-Plasmozytom = Bence-Jones-Plasmozytom (20 %)

 

 
 Epidemiologie
 

3/100.000 und Jahr

 

nach dem 40. Lebensjahr

60. Lebensjahr

 

 

häufigster Tumor von Knochenmark und Knochen

 

 
 Pathologie
 

unbekannt; in einigen Fällen spielen genetische Faktoren und ionisierende Strahlen eine Rolle

 

 

 

 

 

LCA (CD45) negativ, CD38 positiv

 

 
 Diagnostik und Workup
 

3 Kardinalsymptome, von denen 2 gegeben sein müssen (Ossermann-Kriterien):

  1. Auftreten monoklonaler Immunglobuline im Plasma und / oder Urin
  2. Plasmazellnester im Knochenmark und / oder Plasmazellanteil im Knochenmark > 15%
  3. Osteolytische Herde im Knochen oder Osteoporose bei gleichzeitiger Vermehrung der Plasmazellen im Knochenmark

  1. Histologie:
    a) Plasmazellinfiltration des Knochenmarkes (über 10%)
    b) Plasmozytom medullär oder extramedullär histologisch gesichert
     
  2. Befunde in
    1. Bildgebung (Röntgen, MRT, CT)
      Röntgen nach dem "Pariser Schema", Skelettszintigraphie nicht anwenden, da Herde nicht speichern
      Osteolytische Herde im Knochen oder generalisierte Osteoporose
       
    2. Laborchemie
      Monoklonale Immunglobuline (M-Komponente) im Serum und / oder Bence-Jones-Proteine im Urin

Beide Kriterien von 1 oder 1 Kriterium von 1 + 1 Kriterium 2

 

 

Cave: normale Serumelektrophorese bei light chain-Myelom (da die Bence-Jones-Proteine durch die Niere filtriert werden)

40% Bence-Jones-Proteinurie; bei 15-20% ausschliesslich dort zu findende light chains (κ oder λ)
CAVE: Teststreifen können die Bence-Jones-Proteine nicht detektieren!

 

regelmäßige Überwachung von Immunglobulinkonzentration, Blutbild, Serumkalzium, Nierenfunktion, Knochenmark- und Skelettbefund

 

 

 

 
 Symptome und Befunde
 

1.

Abgeschlagenheit

2.

Gewichtsverlust

3.

subfebrile Temperaturen

4.

Nachtschweiß

1.

extrem beschleunigte BSG (1h-Wert > 100 mm n.W.)
Aber: Eine nur leicht beschleunigte Senkung schließt ein Plasmozytom nicht aus: Beim Bence-Jones-Typ sind BSG und Serumelektropherese kaum verändert!

2.

Serumeiweißveränderungen: Gesamteiweiß vermehrt

3.

M-Gradient im γ-Bereich (Immunglobuline ohne Abwehrfunktion) => AK-Mangel-Syndrom (Menge korreliert mit Tumorzellmasse und Prognose

4.

Hyperkalzämie 30%

5.

Anämie, oft makrozytär

6.

seltener Thrombozytopenie

7.

Blutungsneigung: Bindung von Gerinnungsfaktoren durch monoklonale Immunglobuline, besonders bei Thrombozytopenie

8.

β2-Mikroglobulinvermehrung und Thymidinkinase korrelieren mit Myelomzellmasse und haben damit prognostische Bedeutung.

9.

selten terminale Ausschwemmung von Myelomzellen ins Blut (Plasmazellleukämie)

10.

Hyperviskositätssyndrom: Erhöhung der Blutviskosität mit ev. zerebralen Durchblutungsstörungen infolge Polymerenbildung insbesondere der IgA-Immunglobuline. Erfolgt die Polymerenbildung bei niedrigen Temperaturen, spricht man von Kryoglobulinen, die zu Raynaud-ähnlichen akralen Durchblutungsstörungen führen können.

1.

Knochenschmerzen (häufig!)

2.

Osteolytische Herde im Knochen oder Osteoporose bei gleichzeitiger Vermehrung der Plasmazellen im Knochenmark
Hauptlokalisation:
- Schädel ("Lochschädel")
- Rippen, Wirbel
- Becken, Femur, Humerus

3.

Spontanfrakturen (bei Wirbelsäulenfrakturen: Größenabnahme, ev. Gibbusbildung, Gefahr der Querschnittslähmung)

1.

Verdrängung des blutbildenden Knochenmarkes mit Bi- oder Panzytopenie

2.

Plasmazellnester und/oder Plasmazellanteil > 15 % 

3.

Antikörpermangelsyndrom mit Infektanfälligkeit (90%) 

1.

Proteinurie mit L-Ketten-Ausscheidung = "Bence-Jones-Proteine"; Nachweis bei 60% aller IgG- bzw. IgA-Plasmozytome und immer beim L-Ketten-Plasmozytom. Bence-Jones-Proteine fallen beim Erhitzen auf 50°C aus und gehen bei höheren Temperaturen wieder in Lösung. Mit Urinstreifentesten können sie nicht nachgewiesen werden.

1.

10% AL-Amyloidose (ß-Faltblätter der Leichtkette um SAP) => nephrotisches Syndrom, Niereninsuffizienz

2.

erhöhtes Calcium:

3.

Akutes Nierenversagen bei Cast-Nephropathie ("Myelomniere")
toxischer Effekt der Leichtketten auf Tubuli, Interaktion mit dem Tamm-Horsfall-Protein
(Abwendung: Volumengabe, Ansäurern des Urins)

4.

Light / Heavy Chain Deposit Disease

5.

Plasmazellinfiltration

6.

Tumorlysesyndrom

7.

membranoproliferative GN durch Kryoglobuline

8.

Calciumoxalatkristalle

9.

Mitbeteiligung beim Hyperviskositätssyndrom

1.

erhöhtes Risiko für Zweittumoren (20% nach 4 Jahren) und AML

1.

Durchblutungsstörungen bei Hyperviskositätssyndrom

1.

Polyneuropathien bei Paraproteinämie

1.

primäre Formen (selten): solitäre oder multiple Papeln / Knoten

2.

sekundäre Formen (als subkutane Metastasen oder per continuitatem)

 

 
 Verlauf und Prognose
 

nach Durie und Salmon (Tumorzellmasse: Zellen x 1012/m2 Körperoberfläche)
Stadium I Tumorzellmasse < 0,6

Erfüllung aller 4 Kriterien

  1. Hb > 10 g/dl
  2. Serum-Ca normal
  3. Röntgenologisch normales Skelett oder nur ein solitär im Knochen lokalisiertes Plasmazytom
  4. Geringe Konzentration monoklonaler Immunglobuline
    a) IgG < 5 g/dl
    b) IgA < 3 g/dl
    c) Leichte Ketten im Urin < 4 g/24 h
Stadium II weder zu Stadium I noch zu Stadium III passend
Stadium III Tumorzellmasse > 1,2

Eines oder mehrere der folgenden Zeichen

  1. Hb < 8,5 g/dl
  2. Serum-Ca erhöht
  3. Fortgeschrittene osteolytische Knochenveränderungen
  4. Hohe Konzentration monoklonaler Immunglobuline
    a) IgG > 7 g/dl
    b) IgA > 6 g/dl
    c) Leichte Ketten im Urin > 12 g/24 h

Nach der Nierenfunktion werden die Stadien zusätzlich unterteilt in A) Serum-Kreatinin < 2 mg/dl und B) Serum-Kreatinin > 2 mg/dl.

Staging nach dem Mikroglobulinspiegel im Serum: I) β2-Mikroglobulin <= 4 mg/l und II) β2-Mikroglobulin > 4 mg/l.

a) Progredientes multiples Myelom (Mehrzahl der Fälle)
b) Smoldering Myelom (10 %) mit langsamem Verlauf, fehlendem Anstieg der monoklonalen Immunglobuline und ohne Myelomkomplikationen

 

Abhängig von:

  • Tumorstadium (= Tumorzellmasse)
    Stadium I: 64 Monate Mittlere Überlebenszeit
    Stadium II: 32 Monate
    Stadium III: 6 - 12 Monate
     
  • Tumorzellkinetik
    Das Smoldering Myelom hat eine niedrige Tumorzellkinetik (3H-Thymidin-Einbaurate = Plasmazell-Labeling-Index < 1%) und verharrt längere Zeit in einem Zustand geringer Proliferationstendenz. Eine Chemotherapie ist in diesem Falle erst dann indiziert, wenn die Konzentration des monoklonalen Immunglobulins > 5 g/dl ansteigt oder progressive Knochenläsionen erkennbar werden.
     
  • Histologisches Tumorzellgrading und Antigenmuster der Myelomzellen
    schlecht differenzierte Myelome und solche mit Nachweis bestimmter Antigene haben eine schlechtere Prognose
     
  • Komplikationen: Niereninsuffizienz, Hyperkalzämie, periphere Zytopenie, Infekte

β2-Mikroglobulinvermehrung und Thymidinkinase korrelieren mit Myelomzellmasse und haben damit prognostische Bedeutung.

 

 

 
 Differentialdiagnosen
 

1.

Sek. monoklonale Gammopathie bei anderen malignen Erkrankungen des hämatopoetische Systems (z.B bei CLL), Autoimmunerkrankungen u.a.

2.

Benigne monoklonale Gammopathie (= MGUS: monoclonal gammopathy of unncertain origin), Prävalenz bis 3% bei Personen >70 Jahre, Progression in Plasmozytom in ca. 25%: MGUS zeigt monoklonale Immunglobuline <2 g/dl, niedrige β2-Mikroglobulinspiegel im Serum, <10% Plasmazellen im Knochenmark und keine osteolytischen Herde.

3.

häufige Fehldiagnosen beim Plasmozytom: Rheumatismus, gewöhnliche Kopfschmerzen, Nierenleiden, traumat. Fraktur, Altersosteoporose

 

 
 Therapien
 

1.

Konventionelle Chemotherapie

  • VAD-Schema
  • Alkylierende Substanzen (z.B. Melphalan) mit Prednison nach Alexanian-Schema

Indikation: progredientes Myelom ab Stadium II; Patienten mit Leichtkettenkrankheit werden wegen der Gefahr der Nierenschädigung auch schon früher therapiert.

Erfolgskriterien für eine Remission: 50%iger Rückgang der Konzentration des monoklonalen Immunglobulins und der Bence-Jones-Proteine im Urin; Verringerung des Plasmazellanteils im Knochenmark um 50%, Normalisierung von Serumeiweiß, BSG, Blutbild, Serumcalcium; Verschwinden der Knochenschmerzen

2.

Thalidomid (Reservemittel im Rahmen klinischer Studien)
ca. 1/3 der Patienten profitieren (Abnahme Paraprotein um > 50%)

3.

Hochdosis-Chemotherapie mit nachfolgener autologer Stammzelltransplantation:
Alternative bei Patienten jünger als 60 Jahre, 5-Jahres-Überlebensrate wesentlich besser als unter konventioneller Chemotherapie; dann keine stammzelltoxischen Substanzen (wie Melphalan) vorher geben

4.

Palliative Therapie:

  • Alle Myelompatienten profitieren von einer frühzeitigen Gabe von Bisphosphonaten, z.B. Ibandronsäure 1 Infusion / Monat
  • Bei Knochenherden Prophylaxe einer Spontanfraktur durch lokale Bestrahlung (10 - 20 Gy in 1-2 Wochen)
  • Operative Fixation frakturgefährdeter Skelettanteile
  • Schmerzbehandlung
  • Intravenöse Substitution von IgG bei Antikörpermangelsyndrom und Infektion
  • Behandlung einer Hyperkalzämie (Schleifendiuretika + Volumen, Bisphosphonate, Calcitonin), Hyperurikämie, Niereninsuffizienz, Infektion
  • Gabe von Erythropoetin bei Anämie
  • Gabe von G-CSF bei Granulozytopenie
  • Plasmaseparation bei Hyperviskositätssyndrom

unbehandelt führt sie zur terminalen Niereninsuffizienz; mittlere Überlebenszeit von 12 Monaten (Nephrol Dial Transplant 1998 Jun;13(6):1438-45)

  • 5 Plasmapheresen an aufeinander folgenden Tagen
  • Austausch gegen NaCl/Albumin 50/50 für die ersten 3 Pheresen (40ml/kg); danach ggfs. FFP nach Gerinnungsstatus
  • Bei Nichtansprechen ggfs. 2 weitere Plasmapheresen an Tag 7 und Tag 10
  • Zytotoxische Therapie nach Rücksprache mit Onkologen
  • Hämodialyse nach Werten

 

 
 Referenzen
 

Herold 2002, S. 67-70.

 

 

 

 

 
 Editorial
 

Tobias Schäfer

06.10.2002

 

Wibke Janzarik, 13.11.2002

 

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