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Leistenhernie
 

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Tobias Schäfer
 

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 Einleitung
 

Inguinalhernie

Hernia inguinalis

Leistenbruch

Inguinal hernia

K40

angeborener/erworbener Bauchgeweidebruch mit Ausstülpung des Peritoneums, Bruchsack und Bruchpforte im Bereich des äusseren und/oder inneren Leistenringes, siehe auch Hernien

Einteilung nach Nyhus

  • Typ I:
    Indirekte Leistenhernie mit normal großem inneren Leistenring
  • Typ II:
    Indirekte Leistenhernie mit weitem innerem Leistenring, aber intakter hinterer Leistenkanalwand
  • Typ III:
    - A: Direkte Inguinalhernie
    - B: Indirekte Inguinalhernie mit weitem inneren Leistenring und Schwächung der Transversalisfaszie
    - C: Femoralhernie
  • Rezidivhernie:
    - A: direkt
    - B: indirekt
    - C: femoral
    - D: kombiniert

 

 
 Epidemiologie
 

 

2% (beim Mann)

 

1. Lebensjahr (Frühgeborene), 55.-75. Lebensjahr

M : F = 8 : 1 (Kinder 9 : 1)

 

75% aller Hernien (häufigste Form); 65% indirekte Hernien, 20% direkte Hernien; in 10-15% beidseits; nach [Müller 2002] in D 150-200.000 OPs/Jahr, 10% der Eingriffe < 14 Jahre

 

 
 Pathologie
 

  • direkte (mediale) Leistenhernie:
    Der Bruchsack gelangt auf direktem Wege senkrecht durch die Bauchdecke; dabei liegt die Durchtrittsstelle medial der epigastrischen Gefäße in der Fossa inguinalis medialis (Hesselbach-Dreieck). Austritt erfolgt am äußeren Leistenring, ohne Bezug zum Inneren des Leistenkanals. Diese Hernienform ist immer erworben und betrifft überwiegend Männer.
     
  • indirekte (laterale) Leistenhernie:
    Der Bruchsack gelangt durch den inneren Leistenring (Anulus inguinalis profundus) und damit lateral der epigastrischen Gefäße liegend durch den Leistenkanal zum äußeren Leistenring (Anulus inguinalis superficialis), oft sogar bis ins Skrotum hinein. Diese Bruchform entsteht durch ausbleibende Obliteration des Processus vaginalis peritonei nach dem Descensus testis (kongenital, Kinder) oder durch Erweiterung des inneren Leistenringes und Vorstülpen von Peritoneum in den Leistenkanal (erworben, Frauen).

 

Leistenbruch häufiger auf der rechten Seite, da Descensus des Hodens rechts später als links.

Anatomischer Hintergrund:

  • Wände des Leistenkanals:
    Ventrale Wand: Aponeurose M. obliquus externus abdominis
    Dorsale Wand: Fascia transversalis, Peritoneum parietale
    Dach (kranial): Unterrand M. obliquus internus / M. transversus abdominis
    Boden (kaudal): Lig. inguinale = POUPARTI-Band
     
  • Inhalt beim Mann:
    - Ductus deferens, Vasa ductus deferentis, Vasa testiculares, Plexus pampiniformis
    - Fascia spermatica interna (= Ausstülpung der Fascia transversalis)
    - M. cremaster (kaudale Internusfasern)mit Vasa cremasterica
    - Fascia spermatica externa (= Ausstülpung der Externusaponeurose)
    - R. genitalis des N. genitofemoralis, N.ilioinguinalis
    - Plexus testicularis, Plexus deferentialis(sympathisch)
     
  • Inhalt bei der Frau:
    - Lig. rotundum (Lig. teres uteri), Imlach-Fettpfropf

 

  1. reponibel
  2. irreponibel
  3. inkarzeriert

 

 
 Diagnostik und Workup
 

 

ergibt sich aus körperlicher Untersuchung und Befund

  1. Inspektion: Vorwölbung in der Leist, Seitenasymmetrie
    am besten sichtbar bei intraabdomineller Druckerhöhung (manuell oder Kinder zum Schreien bringen)
  2. Palpation bei stehendem Patienten: Einstülpen des Skrotums bis vor den äußeren Leistenring => bei Husten und/oder Bauchpresse Anprall des Bruchsacks gegen den palpierenden Finger
  3. silk sign: Umschlagfalte (Doppelung des Peritoneums) tastbar
  4. Bailey-Test: Differenzierung zwischen direkter und indirekter Hernie (erstere an der Fingerbeere, letztere an der Fingerspitze) klinisch oft nicht möglich und auch irrelvant

 

 

 

 

 

 

 

 
 Symptome und Befunde
 

1.

bei längerem Stehen und Gehen ziehende Schmerzen in der Leiste (keine Korrelation zwischen Ausmass der Beschwerden und Herniengrösse)

2.

bei Kindern: plötzlicher Krankheitsbeginn mit erheblichen Schmerzen. Unruhe, Symptome einer peritonealen Reizung

3.

Unterscheide:

  • Hernia incipiens: Vorwölbung des Bruchsackes in den Leistenkanal => klinische Beschwerden in der Leiste, jedoch meist keine Vorwölbung
  • Hernia completa: Erscheinen des Bruchsackes und sein Austritt am äußeren Leistenring => prall-elastische, druckdolente wenig verschiebliche Schwellung inguinal
  • Hernia scrotalis: Vordringen des Bruchsackes bis ins Skrotum => inguinoskrotale Schwellung

 

 
 Verlauf und Prognose
 

 

 

Inkarzeration, Koteinklemmung, Entzündung, Darmgangrän, Hodenatrophie, narbiger Hodenhochstand

Letalität 0,01 - 1%; Rezidivrate 3-10% (geringste Mortalität bei OP nach Shouldice)

 

 

 
 Differentialdiagnosen
 

1.

Zerrung der Adduktorensehnen(Druckschmerz am Ursprung der Adduktorensehnen am Os pubis)

2.

Leistenlymphom (neoplastisch, entzündlich)

3.

Lipom, Malignome (z.B. Sarkom), Metastasen

4.

Senkungsabszeß (urogenitale Infektionen, M. Crohn)

5.

Varikosis der V. saphena magna, Aneurysma

6.

Schenkelhernie

Hydrozele (Transillumination in Form einer Diaphanoskopie), Varikozele, Orchitis, Epididymitis, Lipom, Hodentumoren, Hodentorsion

 

 
 Therapien
 

  1. reponibel: innerhalb von 10-14 Tagen
  2. irreponibel: so bald wie möglich
  3. inkarzeriert: sofort, Notfallindikation, da Blutversorgung unzureichend

wegen Inkarzerationsgefahr immer operatives Angehen

1.

Anästhesie: in ca. 90% Regionalanästhesie möglich (die fächerförmig in den Bauchwandschichten entlang des Leistenkanals appliziert wird), sonst Spinalanästhesie oder Vollnarkose (v.a bei endoskopischen Verfahren)

2.

Nach Leistenschnitt und Durchtrennung der Externusaponeurose wird der Samenstrang dargestellt. Der Bruchsack wird eröffnet, sein Inhalt reponiert. Nach Abtragen erfolgt der Nahtverschluß des Bruchsacks und der Bruchpfortenverschluß. Hierzu wird die Hinterwand des Leistenkanals verstärkt; Details s.u. Nach Wundverschluß Zug am Testis, um den mobilisierten Samenstrang zu reponieren.

1.

Nach BASSINI (Padua, 1890):
Der M. obliquus internus und M. transversus abdominis werden unter dem Samenstrang an die Innenfläche des Leistenbandes genäht, wobei die Naht am Tuberculum pubicum beginnen und enden sollte. Der Samenstrang sollte nicht zu stark komprimiert werden. Er wird mit der Externusaponeurose gedeckt bzw. nach subkutan (vor die Externusaponeurose) verlagert (Methode nach KIRSCHNER) Hinterwand-Verstärkung durch:

  • M. transversus abdominis
  • M. obliquus internus
  • Fascia transversalis

werden an das Lig. inguinale genäht.

2.

Nach SHOULDICE (Canadian Repair 1944):
Methode der Wahl; hierbei wird die Fascia transversalis gespalten und mit fortlaufender Naht gedoppelt. Zusätzlich wird der M. obliquus internus und der M. transversus wie bei der OP nach BASSINI an das Leistenband genäht.

3.

Nach LOTHEISEN / McVAY (1942):
Der M. obliquus internus und die Transversusfaszie werden am Cooper-Band (Lig. pubicum superius) befestigt.
McVay:

  • M. transversus abdominis
  • Fascia transversalis

werden an das Cooper-Ligament genäht
Lotheisen:

  • M. transversus abdominis
  • M. obliquus internus
  • Fascia transversalis

4.

Nach HALSTED-FERGUSON:
Vernähung des M. obliquus int. über dem Samenstrang mit dem Leistenband, so dass der Samenstrang unter dem M. obliquus internus zu liegen kommt. Anwendung v.a. bei kindlichen Bruchpforten.

5.

Bei Frauen kann der Leistenkanal fest um das Lig. rotundum verschlossen bzw. das Ligamentum rotundum durchtrennt werden.

6.

Bei Kindern darf der Samenstrang aufgrund der Gefahr der Hodenatrophie nicht verlagert werden; daher nur Bruchsackabtragung, ev. Methode nach Halsted-Ferguson und Vernähung der Externusaponeurose

7.

Als Ultima ratio bei alten Männern nach mehreren Rezidiven: Funikulo- und Orchidektomie

  • Sofortmobilisation am OP-Tag
  • ev. intraoperatives Einbringen eines kleinen Katheters zur 3x tgl. Applikation von Lokalanästhetikum => Erleichterung der Mobilisation (Entfernung am 3. Tag)
  • Fadenentfernung 10. Tag
  • Arbeitsunfähigkeit für ca. 2-3 Wochen, für 10 Wochen eingeschränkte Belastbarkeit

OP nach LICHTENSTEIN od. STOPPA:
Verstärkung der Bauchwand durch ein ca. 10-15 cm großes Netz aus Polypropylen (Marlex) oder Polyester (Merseline). Das Netz kommt dabei entweder auf den Muskelfaszien (LICHTENSTEIN) oder zwischen Muskelfaszien und Peritoneum (STOPPA) zu liegen. Der Zugang erfolgt endoskopisch, ohne das Peritoneum zu verletzen (TEP = totale extraperitoneale Plastik; Präparationsraum über Ballon schaffen), oder konventionell

1.

TAPP = transabdominelle präperitoneale Plastik
Zugang von innen her: Einschneiden des Peritoneums, Verschluß der Bruchpforte durch Naht oder Clips und Implantation eines 12x15 cm großes PTFE-Netzes (Gore-Tex), danach Clipverschluß des Peritoneums über dem Netz (umstritten, da Peritoneum eröffnet wird).

2.

TEP = totale extraperitoneale Plastik (siehe Link Nr. 2): Präparationsraum wird mittels Ballon geschaffen, Peritoneum wird nicht eröffnet

1.

Postoperativer Harnverhalt

2.

Wundinfektion, Hämatom, Serom

3.

Hodenschwellung bis hin zur ischämischen Orchitis und Nekrose durch Abflußbehinderung bei Verletzung oder Kompression der Vasa spermatica

4.

Sterilisation durch versehentliches Durchtrennen des Ductus deferens (Therapie: Adaptation über Catgut-Schiene)

5.

Verletzung von inneren Organen (Rektum, Blase, Ovar, Tube) mit konsekutiver Peritonitis

6.

Verletzung von inguinalen Nerven mit resultierenden Sensibilitätsstörungen und Schmerzen

7.

Verletzung und Kompression der Vasa femoralia oder anderer Beckengefäße mit Thrombose oder Embolie

8.

Rezidiv und wiederholtes Rezidiv nach Rezidiv-OP

9.

Netzimplantationen:

  • Nervenschädigungen bei Netzbefestigung
  • Serome bis hin zur chronische Entzündung
  • Fisteln
  • Netzunverträglichkeit
  • Netzschrumpfung

 

 
 Referenzen
 

Müller 2002, S. 267-269

http://www.laparoscopy.net/inguinal/ingher11.htm

http://www.laparoscopy.net/inguinal/ingher12.htm

http://www.sunmed.org/hernia.html

 

 
 Editorial
 

Tobias Schäfer

21.11.2002

Julia Zimmer (Editor)

Magdalena C. Kraus, 14.12.2003

Wibke Janzarik14.02.2005

 

PRELIMINARY

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