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Medicle Datenbank: Galaktosämie Typ I
 

 Einleitung
 

Klassische Galaktosämie [Sitzmann 2002]

Störung des Galaktosestoffwechsels aufgrund eines Defektes der Galaktose-1-phosphat-Uridyl-Transferase-Aktivität, das zu einer toxischen Schädigung von Gehirn, Leber, Nieren und Ovarien führt.

 

 
 Epidemiologie
 

1 : 50.000 (D: 1 : 40.000)

Manifestationsalter: sobald Galaktose-haltige Nahrung eingeführt wird

M = F

 

 
 Pathologie
 

AR

Gen: Galactose-1-phosphat-Uridyl-Transferase (GALT)
Enzym konvertiert Galactose-1-Phosphat zu Glucose-1-Phosphat; Laktosedisaccharide werden zu Glucose und Galaktose abgebaut; Varianten:

  • Duarte-1-Allel (Mutation N314D + L218L) => erhöhte Enzymaktivität
  • Duarte-2-Allel (Mutation N314D + Deletion in 5'UTR, Allelfrequenz in Deutschland ca. 10%) => 50% Enzymaktivität, nicht diätpflichtig

Genetischer Defekt:
Akkumulation von Galaktose-1-P -> Schädigung der Parenchymzellen von Niere (=> Fanconi-Syndrom), Leber (=> Leberzirrhose), Gehirn (=> mentale Retardierung), Ovarien (primäre oder sekundäre Amenorrhoe, nicht aber Testes) und Augen (Galaktitol => Katarakt); Beginn pränatal aufgrund transplazentarer Galaktose aus heterozygoter Mutter

Anmerkung nach [Sitzmann 2002]:
Es scheint eine endogene Galaktose-1-P-Synthese zu geben, die klinsch relevant ist. Man nimmt an, dass Störungen der Feinmotorik ebenso wie der hypergonadotrope Hypogonadismus uaf diese Selbstintoxiaktion zurückzuführen sind. UDP-Galaktose soll eine wesentliche Rolle spielen.

Mutationen: Q188R, K285N, S135L, N314D /Duarte-Variant

 

 
 Diagnostik und Workup
 

1. Klassische Symptomentrias: Leberzirrhose, Katarakt, geistige Reardierung

2. Nachweis mit dem Guthrie, bzw. Paigen-Test

3. Leberbiopsie:

  • fettige Infiltrate
  • Pseudoacini
  • makronoduläre Zirrhose

4. Galaktose-Toleranz-Test
Kontraindiziert, da eine plötzliche Galaktosebelastung zu einer hohen intrazellulären Galaktose-1-P-Konzentration führt, die mit Glucose-1-P um die Phosphoglucomutase konkurriert => verminderte Umsetzung von Glykogen zu Glukose => plätzliche Hypoglykämie mit Schock, Krämpfen, Koma, Tod

5. Enzymmessungen
Defekt der Galactose-1-Phosphat-Uridyl-Transferase in roten Blutkörperchen (aus Bluttropfen = Beutler-Test); erhöhte Konzentration von Galactose-1-Phosphat in Erythrozyten

Fanconi-Syndrom: Skelettröntgen auf Rachitis, Osteopenie, oder Osteoporosis

  • erhöhtes FSH und LH mit vermindertem Östrogen
  • normale Lipide und Harnsäure
  • hämolytische Anämie (in der Neugeborenenperiode)
  • Galaktose bis zu 10 mg/dl nach Genuss von Milch

Dysfunktion der Leber:

  • konjugierte ode runkonjugierte Hyperbilirubinämie
  • erhöhte Transaminasen
  • Koagulopathie
  • erhöhte Spiegel der Plasmaaminosäuren (v.a. Phenylalanin, Tyrosin, Methionin)

Renaltubuläre Dysfunktion / Fanconi-Syndrom:

  • normale Anionenlücke mit hyperchlorämischer metabolischer Azidose (mit niedrigem Bicarbonat)
  • normale oder niedrige Aminosäuren
  • normale Glucose
  • Hypophosphatämie, Hypokalämie, Hypourikämie
  • erhöhte alkalische Phosphatase

  • Test auf reduzierende Substanzen nach Gabe von humaner oder Kuhmilch bzw. Formularien mit Lactose
  • positiv auf reduzierenden Substanzen (Galaktosurie)
  • positiver Clinitest, aber negativer Clinistix zeigt, dass die reduzierende Substanz nicht Glucose ist
  • Galactose-Nachweis mittels Chromatographie
  • Methionin erhöht bei Leberschaden

Renaltubuläre Dysfunktion / Fanconi-Syndrom:

  • generalisierte (unspezifische) Hyperaminoazidurie
  • Glukosurie, Glykosurie, Phosphaturie
  • pH < 5.5 mit niedrigem spezifischen Gewicht(Hyposthenurie)
  • Bicarbonaturie, Hyperkaliurie, Urikosurie, tubuläre Proteinurie (Albuminurie), Carnitinurie, niedriges Ammonium

Spaltlampenuntersuchung der Augen alle 6 Monate bis zum 3. Lebensjahr

GALT-Assay: Nachweis aus Fibroblasten mittels Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie, ggf. Mutationsanalyse bei bekanntem Indexfall

Neugeborenenscreening:

  • Fluorimetrisches Assay für GALT-Enzym
  • GALT-Elektrophorese für Unterschied zwischen G (klassich) und D (Duarte)-Allelen
  • Bakterieninhibitionstest / Guthrie-Test

 

 
 Symptome und Befunde
 

16% Lethargie, vermehrte Irritabilität, 47% Erbrechen, Krämpfe, 23% Fütterungsschwierigkeitn, schlechte Gewichtszunahme, 29% failure to thrive (FTT), 12% Durchfall

1.

75% Ikterus, 43% Hepatomegalie, Hypoglycämie, Aszites, Splenomegalie

2.

Leberzirrhose +/- Komplikationen

3.

evtl. Tod in den ersten Lebenstagen durch Leberversagen

4.

Hautblutungen

Fanconi-Syndrom:

  • mentale Retardierung, IQ-Verminderung von ca. 7 Punkten im Alter
  • Krämpfe
  • Sprachprobleme (56% aller Patienten bis zum 3. Lebensjahr, Verbesserung nur in 24%)
  • Pseudotumor cerebri

1.

ovarielle Dysfunktion mit primärer (24%) oder sekundärer Amenorrhoe; Infertilität

2.

fraglich erhöhtes Risiko für Ovarialkarzinome

3.

meist keine Fertilitätseinschränkung bei Jungen

30% infantile sublentikuläre Katarakte

  • mit distinktiven "oil droplet" in der Spaltlampe
  • initiale perinukläre "haziness" mit Progression zur kompletten Opazifizierung der Linse innerhalb von Wochen
  • bei Geburt oder innerhalb von 2 Wochen

große Häufigkeit von Todesfällen im Neugeborenenalter aufgrund fulminanter E. coli-Sepsis (10% aller Neugeborenen, in 76% E. coli; Galaktose inhibiert die bakteriozide Aktivität der Leukozyten)

 

 
 Verlauf und Prognose
 

auch bei guter diätischer Kontrolle schlechte menatle Funktion möglich (Frauen > Männer), Sprachprobleme, ovarielle Dysfunktion (hypergonadotroper Hypogonadismus)

 

 
 Differentialdiagnosen
 

 

 
 Therapien
 

1.2

Lactose- und Galactosefreie-Diät:

  • Cave: Fertigsoßen, Drageeüberzug bei Medikamenten, Bindemittel usw. enthalten Galaktose
  • Milch auf Sojabasis
  • Hydrolysierte Nahrung: Affare, Pregistimil, Nutramigen
  • Galaktosemenge pro Tag in mg: Säuglinge 50-200, Kleinkinder 150 -200, Schulkinder 200-300, Jugendliche 250-400, Erwachsene 300-500
  • Ziel: Gal-1-Phosphat in Erythrozyten 2-4 mg/dl (in Kindheit wg. endogener Gal-Produktion schwer zu erreichen)

2.

bei jungen Frauen ab dem 12 Lebensjahr, wenn basale Gonadotropinwerte erhöht und Östradiolwerte erniedrigt sind: Östradiol substituieren, evtl. auch Progesteron

3.

Kontrolle der Epilepsie

4.

Mütter mit erkranktem Kind sind heterozygot und haben eine um 50% reduzierte Enzymaktivität. Während der nächsten Schwangerschaft Milchzucker vermeiden

 

 
 Referenzen
 

Koletzko 2000, S. 166

Sitzmann 2002

Pedbase

 
 Editorial
 

Tobias Schäfer

30.10.2002

Helmar Weiss, 01.12.02

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