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Medicle Datenbank: Morbus Crohn
 

 Einleitung
 

Ileitis regionalis

Enterocolitis regionalis

Crohn´s disease

inflammatory bowel disease

K50.9

diskontinuierlich auftretende segmentale Entzündung (auch tiefer Wandschichten) des gesamten Gastrointestinaltraktes, häufige Lokalisation im terminalen Ileum und proximalen Kolon

 

 
 Epidemiologie
 

3 / 100.000 / Jahr

20.-40. Lebensjahr und um das 60. Lebensjahr

M : F = 1 : 1

weiße Bevölkerungsgruppen erkranken bis zu vier mal häufiger als schwarze; Juden

 

 
 Pathologie
 

unbekannt

Rauchen

familiäre Häufung (Vererbung unklar): Patientin mit Morbus Crohn haben zu 2,2 - 16,2% einen Angehörigen 1. Grades mit Morbus Crohn (5,2 - 22,5% IBD); lifetime risk für IBD beträgt bei Verwandten 1. Grades eines M. Crohn-Patienten 4,8-5,2% (7,8% für amerik. Juden)

evtl autoimmuner Genese mit Störung der Immunregulation (bei bestehender genetischer Disposition), Infektionen als Auslöser werden ebenfalls diskutiert (Kreuzreaktionen der AK)

Aktivierung des Darm-assoziierten Lymphgewebes (GALT, MALT) mit Bildung von Entzündungsmediatoren, welche zu lokalen Gewebeschäden mit Erosionen (siehe Symptome) führen

"Kopfsteinpflaster-Relief" der Schleimhaut (Regeneration und Hyperplasie) mit transmuralem Befall bei fokal-segmentalerAusprägung ("skip-lesions"), evtl Wandverdickungen mit Strikturen und Stenosen; Fissuren, Ulzerationen, Fisteln, Phlegmonen

  • Frühe Veränderungen:
    superfizielle aphtoide Läsionen der Mukosa über den Lymphfollikeln; Granulomen
  • Späte Veränderungen:
    transmurale Enterocolitis; Krypten erhalten, evtl. Auftreten von Granulomen (Epitheloidzellgranulome und mehrkernige Riesenzellen), deutlich aktivierte lymphatische Keimzentren; Infiltrat aus Lymphozyten, Hisitozyten, Plasmazellen in der gesamten Darmwand; Kollagenablagerungen in der Submukosa mit Strikturenbildung; Ulzerationen bis in die Muscularis propria, Kryptenabszesse und Goblet-Zelldepletion

 

 
 Diagnostik und Workup
 

  • Anamnese und Klinik (häufig psychosomatische Belastungssituation als Auslösefaktor)
  • Kolo-Ileoskopie (mit Mehrfach-Biopsien)

evtl druckschmerzhafte Resistenz im rechten Unterbauch, auch andere Lokalisationmöglich, extraintestinale Manifestationen (siehe unten)

  • Hydro-MRT
  • Röntgen des Dünndarms (KE/MDP nach Sellink: über Magensonde wasserlösliches KM geben, Kolon-KE in Doppelkontrast-Technik):
    Kopfsteinpflaster, tiefe Ulzerationen, Fisteln, Knotenbildung, stenosierte Stellen, verdickte Darmschlingen
  • Sonographie
    Darmwandverdickung, Abszesse

  • erhöhte BSG (80%)
  • Anämie (70%): i.d.R. mikrozytär (niedriges Serumeisen und Ferritin), aber auch makrozytär (Folat-, Vitamin B12-Mangel)
  • Hypoalbuminämie (60%)
  • Thrombozytose (60%)
  • normales Differentialblutbild
  • normales oder niedriges Zink, Magnesium, Calcium, Phosphat

  • Ausschluss einer Infektion (mindestens dreimalige negative Stuhlprobe)
  • Guaiac-positiv (35% der Fälle)

Labor (Leukozytose, CRP erhöht, Anämie), Auto-AK

 

 
 Symptome und Befunde
 

1.

Gewichtsabnahme (50% der Fälle); multifaktorielle Ätiologie:

  • suboptimale Aufnahme (Anorexie)
  • Malabsorption für Fette, Proteine, Kohlenhydrate, mit Mangel an Eisen, Folsäure, Calcium, Magnesium, Zink, Vitamins D, K, B12
  • vermehrter Energiebedarf aufgrund der Entzündung
  • vermehrter Stuhlgang

2.

Müdigkeit, Abgeschlagenheit

3.

Appetitlosigkeit

4.

Fieber (35%): leichte, lang andauernde Temperaturerhöhung oder Spitzen (40°C),

1.

abdominale Schmerzen (75%); persistent, stark und den Patienten aus dem Schlaf aufweckend, wird bei Nahrungsaufnahme und Defäkation (Kolonbeteiligung) schlimmer; Ort des Schmerzes reflektiert Stelle der Darmbeteiligung:

  • rechter unterer Quadrant - terminales Ileum oder Coecum
  • periumbilikal - Kolon oder diffus im Dünndarm
  • epigastrisch - gastroduodenal
  • Odynphagie & Dysphagie - ösophageal

2.

Diarrhöen (primär ohne Blutungen, 65%, 2-10 Stuhlgänge pro Tag), Blutungen und Komplikationen aufgrund von Fisteln und Stenosen

3.

Flatulenz

4.

Fisteln (40% erstes Symptom), anorektale Abszesse, Darmstenosen (evtl mit Ileus oder Perforation)

5.

Schrumpfungen der Darmwände und Stenosen

6.

ausgeprägte Nekrosen, fibrosierender Progress (Darmwandfibrose)

7.

aphtoide Läsionen ("pin-point-lesions")

8.

Symptome wie bei Appendizitis (kolikartige Schmerzen im rechten Unterbauch, evtl drusckschmerzhafte Resistenz tastbar, subfebrile Temperaturen)

1.

eventuell auch Anämien

2.

Pericholangitis (oder primär sklerosierende Cholangitis), Cholelithiasis

3.

Leber: Amyloidose, chronische Hepatitis, Fettleber, Zirrhose, Abszesse, Granulome

4.

Niere:

  • Amyloidose (/- Nierenversagen)
  • Nephrolithiasis
  • perinephritische Abszesse
  • perivesikale Infektionen
  • Urether-Onstruktion und Hydronephrose (/- Hypertonie)

5.

Haut:

6.

Augen:

  • Uveitis
  • Episkleritis
  • Keratitis
  • Iritis
  • orbitaler Pseudotumor
  • hintere subkapsuläre Katarakte (Steroidtherapie)

7.

Gelenke: Arthritis (15%), ankylosierende Spondylitis (2-6%; HLA-B27 pos)

8.

Muskuloskeleta: Myalgien, granulomatöse Myositis und Myopathie

9.

Gefäße:

10.

Wachstumsstörungen im Kindesalter (25%), Malabsorptionssyndrom:

  • aufgrund Unterernährung und hochdosierte Steroide
  • kann klinischem Bild um Monate bis Jahre voraus gehen
  • kann während Remission fortbestehen

1.

Kolorektales Karzinom (Risikoerhöhung: 20fach)

2.

Amyloidose div. Organe

 

 
 Verlauf und Prognose
 

akutes Stadium mit ödematöse-phlegmonöser Entzündung, subakutes Stadium mit submukösen Ulcera, Narbenstadium mit Stenosierung, Stadium der Fistelbildung, häufig unterschiedliche Ausprägung (psychovegetative Komponente) und Symptome

Stenosen mit Ileus und/oder Perforation

Aufgrund der hohen Rezidivrate (und damit verbundenen Komplikationen) kommt es über längere Sicht zu einer notwendigen chirurgischen Intervention mit geringstmöglicher Resektion des befallenen Segmentes (70%-90% der Patienten innerhalb von 15 Jahren)

Nikotinkarenz verbessert die Rezidivrate um den Faktor 3

 

 
 Differentialdiagnosen
 

1.

Colitis ulcerosa

2.

chronische Appendizitis

3.

funktionelle Darmbeschwerden

4.

Darm-Tuberkulose

5.

Yersiniose / Lymphangitis mesenterialis

6.

Salmonellosen

 

 
 Therapien
 

1.

Diät und supportive Maßnahmen (häufig zusätzlich Laktoseintoleranz!)

2.

Malabsorption ausgleichen (Elektrolyte, Vitamine, bes fettlösliche Vitamine)
Elementare Diät:

  • ähnlich effizient wie TPN und komplette Darmruhe in Bezug auf Remissionsinduktion
  • kann Entzündung des Darms durch verminderte Antigenexposition vermindern
  • weniger effizient in der Remissionsinduktion bei Patienten mit Kolonbeteiligung, Fisteln und perianaler Erkrankung
  • kann durch nächtliche Sondenernährung erreicht werden

3.

bei chologener Diarrhoe (nach Resektion) Gabe von Cholestyramin zur Bindung der freien Gallensäuren

4.

ggf Flüssignahrung oder totale parenterale Ernährung (TPN); Indikationen:

  • schwere akute Exazerberationen
  • schwere Erkrankung und Malnutrition
  • schwere Darmresektion mit Entwicklung eines Kurzdarmsyndroms
  • reversible Wachstumsstörung

5.

psychosomatische Betreuung der Patientin ist häufig notwendig und hat einen positiven Effekt für den Verlauf der Erkrankung

1.

Befall des Kolons: Mesalazin (5-ASA) bis 4,5 g / d oral, Remissionserhaltung mit 1,5 g / d, evtl zusätzlich noch Kortikosteroide Befall des Dünndarms: Kortikosteroide im akuten Schub (60 mg Prednisolon / d mit stufenweiser Dosisreduktion pro Woche nach dem Schema 60-40-35-30-25--20-15-10 mg / d, Erhaltungsdosis 10 mg / 48h für 3-6 Monate, Einsatz von topischen Kortikosteroiden auch möglich bei milden Verläufen (Budesonid 3 mal 3 mg / d), Remissionserhaltung mit 5-ASA in Form von "slow release"-Präparaten

2.

Weitere Medikamente:

  • Immunsupressiva (z.B.: Azathioprin): Unter Azathioprin kann die Steroiddosis gesenkt werden (CAVE: Nebenwirkungen!)
  • TNF-Antikörper (z.B.: Infliximab): bei steroidrefraktären schweren Schüben und bei therapierefraktären Fisteln (CAVE: Nebenwirkungen!), ggf Wiederholung nach 2 und 6 Wochen
  • >Zur konservativen Therapie von Fisteln wird Metronidazol (bakterizide Wirkung auf anaerobe Darmbakterien) verwendet (max über 2 Monate einsetzen, NW!), erst bei Versagen dieser Therapie wir mit TNF-Ak behandelt.

3.

Gravidität: Antikonzeption während akuter Schüber, bei Verschlechterung während Gravidität können Sulfasalazin und / oder Steroide zum Einsatz kommen (CAVE: Steroidabhängige Schäden des Foetus, NNR-Insuff. und Wachstumsretardierung)

1.

Endoskopie:
Ballondilatation stenosierter Darmabschnitte (geringer Nutzen, hohe Komplikationsrate), Verschluss von Fisteln in Clip- oder Looptechnik

2.

Chirurgie:
Indikation nur bei Komplikationen (akut bei Ileus oder Perforation, elektiv bei Fisteln, Subileus oder Abszessen), Prinzip der "minimal surgery" zur Schonung aller benachbarten Darmabschnitte (denn die chirurgische Therapie ist nur ein palliativer Eingriff, Heilung kann dadurch nicht erreicht werden), Komplikationsgefahren der Operation sind Blutungen, Obstruktionen und erneute Fisteln (Nahtfisteln), radiologisch festgestellte Stenosen sind keine Operationsindikation (viele Patienten haben keinerlei Symptome einer Stenose) und bedürfen keiner (präventiven) Intervention, bei längerstreckigen Dünndarmresektionen droht "Kurzdarm-Syndrom" mit chologener Diarrhoe/Steatorrhoe und folgendem Verlust fettlöslicher Vitamine (desweiteren bilden sich evtl Kalziumoxalatsteine in der Niere und Gallensteine, Vitamin B12-Mangel führt zu megaloblastischer Anämie)

3.

Häufigster Eingriff ist die Ileozökalresektion oder Hemikolektomie mit End-zu-End-Ileostomie, der generelle Sicherheitsabstand sollte 2-4 cm betragen, keine prophylaktische Appendektomie (bei Befall der Appendix) aufgrund von erhöhter Fistelgefahr, mesenteriale Lymphknoten werden zur Diagnosesicherung mitentfernt, bei chirurgischer Sanierung von Fisteln kann die passagere Anlage eines Anus praeternaturalis notwendig sein, Strikturoplastie ist eine Alternative zur Resektion und zeigt deutlich bessere Ergebnisse (im Vergleich zur Resektion) in Bezug auf Wundheilung (Fistelbildung), Rezidiv der Stenose an gleicher Stelle und Bedarf der Patienten an oralen Glukokortikoiden.

in Studien

  • Adalimumab (D2E7) - Fully humanised mAb gg. TNF
  • Certolizumab pegol (CDP870) - Humanisierte FAb´ gg. TNFα und T-Zellen
  • CDP571 - humanisierter mAntikörper gg. TNFα
  • Etanercept - lösliches p75-Rezeptor-Fusionsprotein gg. TNFα
  • Onercept - löslicher p55-Rezeptor gg. TNFα
  • Visilizumab - humanisierter mAb gg. T cells
  • Fontolizumab - Humanised mAb gg. Interferon γ
  • Abatacept - Fusionsprotein gg. T-Zellen, dendritische Zellen und Makrophagen
  • Kremezin (AST-120) - Adsorbtive Kohle
  • Semapimod (CNI-1493) - MAP-Kinasen-Inhibitor
  • Doramapimod (BIRB796) - MAP-Kinasen-Inhibitor
  • Thalidomid
  • CNT01275 - humanisierter Antikörper gg. Interleukin 12/23p40
  • ABT-874 (J695) - humanisierter monoklonaler Antikörper gg. Interleukin 12
  • STA-5326 mesylate - "small molecule" gg. Interleukin 12/23 Atlizumab (MRA) - humanisierter monoklonaler Antikörper gg. Interleukin 6
  • Interleukin 10 - rekombinantes humanes Zytokin
  • Oprelvekin (Interleukin 11) - rekombinantes humanes Zytokin
  • Natalizumab - humanisierter monoklonaler Antikörper gg. α4-integrin
  • Alicaforsen (ISIS-2302) - antisense-Oligonukleotid gg. Intracellular adhesion molecule 1
  • Sagramostim - Wachstumsfaktoren
  • Epanova - Omega-3-Fettsäuren
  • Somatotropin (HGH) Wachstumsfaktor

 

 
 Referenzen
 

Herold 2002

Müller 2002

"Surgery - Basic Science and Clinical Evidence", Norton et al., Springer, 2001

Böcker 2001

 
 Editorial
 

Niels Halama

03.12.2002

Tobias Schäfer, 19.01.2003

TRACK3

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1 - überprüft

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