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Morbus Parkinson
 

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Auf einen Blick
 

Autor

Wibke Janzarik
 

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 Einleitung
 

Parkinson-Syndrom

Parkinsonismus

Paralysis agitans

Schüttellähmung

Parkinson's disease

parkinsonism

paralysis agitans

shaking palsy

G20 Primäres Parkinson-Syndrom

G21 Sekundäres Parkinson-Syndrom

Extrapyramidalsyndrom mit den Leitsymptomen Rigor, Tremor, Bradykinese.

Primäres Parkinson-Syndrom (M.Parkinson):

  • klassische Form (akinetisch-rigider Typ, tremordominanter Typ)
  • frühzeitiger Parkinson (<40J), juveniler Parkinson (<20 Jahre)
  • sporadisch oder familiär Sekundäres Parkinson-Syndrom siehe DD

 

 
 Epidemiologie
 

 

1,4% mit 55J; 3,4% mit 75J

über 40 Jahre

40 bis 60 Jahre

Männer etwas häufiger

 

Keine regionale Häufung bekannt, Prävalenz konstant: schädigende Umwelteinflüsse scheinen keine Rolle bei der Krankheitsmanifestation zu spielen

 

 
 Pathologie
 

Unbekannt. Bisher kein Hinweis auf immunologische oder virale Genese, keine Auslösung durch Umweltgifte oder SHT (es gibt zwar z. B. die "Boxerenzephalopathie" mit Parkinson-Syndrom und Demenz, aber nicht M. Parkinson!)

20 bis 25% der Patienten mit M. Parkinson haben mind. einen erstgradigen Verwandten mit M. Parkinson oder essentiellem Tremor; es wird ein polygener Erbgang angenommen, es gibt jedoch auch Familien mit AD oder AR Erbgang

 

Degeneration melaninhaltiger Zellen in der Pars compacta der Substantia nigra. Auch andere Neurotransmitter sind vermindert (Noradrenalin/Serotonin in Raphekernen, ACh im Ncl. basalis Meynert, GABA]. Es gibt verschiedene Hypothesen für die Nervenzelldegeneration: möglicherweise wird sie durch vermehrt freigesetzte bzw. vermindert eliminierte Sauerstoffradikale hervorgerufen oder aber durch die dominierende exzitotoxische Aktivität von Glutamat inf. Dopaminmangel im Corpus striatum.

 

Degeneration melaninhaltiger Zellen in der Pars compacta der Substantia nigra. Außerdem Untergang von Zellen und Gliose im Locus coeruleus (noradrenerg), dorsalem Vaguskern, Substantia innominata (cholinerg) und Raphekernen (seretonerg). In den überlebenden Nervenzellen findet man Lewy-bodies (eosinophile zytoplasmatische Einschlüsse; aber auch bei 10% der gesunden älteren Bevölkerung oder bei anderen Gehirnerkrankungen zu finden)

Erstbeschreibung als "Schüttellähmung" (shaking palsy) 1817 durch Parkinson(*).

*James Parkinson (1755–1824), Chirurg & Paläontologe, London

 
 Diagnostik und Workup
 

 

Diagnostik in drei Etappen mit Ein- und Ausschlusskriterien nach einem Vorschlag der United Kingdom Parkinson´s Disease Society Brain Bank:

1.Etappe: Diagnostik eines Parkinson-Syndroms:

  • Bradykinesie (definiert als verlangsamte Initiation von Willkürbewegungen in Verbindung mit progredienter Verringerung von Schnelligkeit und Amplitude repetitiver Bewegungen) und mindestens ein weiteres der folgenden Symptome:
  • Rigidität
  • Ruhetremor (4-6 Hertz)
  • Standunsicherheit, die nicht primär visuell, vestibulär, zerebellär oder propriozeptiv bedingt ist

2. Etappe: Ausschlusskriterien für einen M. Parkinson (s. DD eines Parkinson-Syndroms):

  • Anamnese wiederholter Infarkte mit progredienten Zeichen eines Parkinson-Syndromes
  • Anamnese wiederholter SHT
  • Anamnese eindeutig nachgewiesener Enzephalitis
  • Okulogyre Krisen
  • Behandlung mit Neuroleptika vor Beginn der Symptomatik
  • Mehr als ein Elternteil betroffen
  • Prolongierte Remission
  • Strikt unilaterale Symptomatik länger als 3 Jahre
  • supranukleäre Blickparalyse
  • Kleinhirnsymptomatik
  • schwere vorangehende Dysautonomie
  • schwere vorangehende Demenz mit Problemen betreffend Erinnerungsvermögen, Sprache und Praxie
  • Babinski-Zeichen positiv
  • CT-Nachweis eines Hirntumors oder Normaldruckhydrozephalus
  • kein Ansprechen auf hohe Dosen von L-Dopa
  • Vergiftung mit MPTP (Designerdroge der 70er Jahre)

3. Etappe: Einschlusskriterien für einen M. Parkinson:

  • einseitiger Beginn
  • Ruhetremor
  • progrediente Symptomatik
  • persistierende Asymmetrie (verstärkte Symptome an der Körperhälfte, an der die Symptomatik begonnen hat)
  • gutes Ansprechen auf L-Dopa (70-100%)
  • Induktion einer schweren Chorea durch Gabe von L-Dopa
  • Ansprechen auf L-Dopa für mind. 5 Jahre
  • klinische Evolution der Symptomatik über 10 Jahre oder länger

1. Neuropsychologische Symptome:

  • Leichte mnestische Probleme
  • Bradyphrenie
  • Schwierigkeiten, 2 Aufgaben glz. zu erledigen
  • depressive Stimmung
  • visuelle Halluzinationen (seltener auditive) und Psychosen ausgelöst durch die Gabe von L-Dopa

CAVE: Atypisch sind frühe oder schwere Demenz, starke Apraxie und emotionale Instabilität; an DD und mögliche Komorbidität mit anderen neurologischen Erkrankungen denken!

2. Hirnnerven:

  • Anosmie
  • verlangsamte Sakkaden und eingeschränkte Blickhebung
  • Hypomimie ("Maskengesicht")
  • seltener Lidschlag
  • Hyperseborrhö ("Salbengesicht")
  • Hypophonie und Dysarthrie
  • Hypersalivation
  • Tremor von Kinn oder Mund
  • Nasopalpebral-Reflex unerschöpflich

CAVE: Atypisch sind supranukleäre Blickparalyse (v.a. Blicksenkung oder Lateralisation), Auslösbarkeit zahlreicher archaischer Reflexe, Kopftremor, Blepharospasmus, Apraxie für Öffnung/Schluss der Augen, isolierte bukkolinguale Dyskinesie, frühe oder schwere bulbäre Symptomatik; an DD denken!

3. Nacken:

  • Rigor mit oder ohne Zahnradphänomen, normalerweise geringer als an den Extremitäten, zervikale Hyperkyphose, "imaginäres Kopfkissen"

CAVE: Atypisch sind ein axial betonter Rigor oder ein stark vorgebeugter Hals

4. Extremitäten:

  • asymmetrischer Ruhetremor (4-6 Hz), Bewegungsachse Pro-/Supination ("Pillendreher")
  • aymmetrischer Rigor (aber proportional) mit oder ohne Zahnradphänomen
  • Dysdiadochokinese (Schwierigkeiten, alternierende Bewegungen auszuführen)
  • Verringerung automatischer Bewegungen
  • Mikrographie
  • fluktuierende motorische Symptomatik mit ON-OFF-Phänomen
  • choreatiforme oder dystone Dyskinesien (nicht fokal)
  • Parkinson-Arthropathie

CAVE: Atypisch sind Pyramidenbahnzeichen, zerebelläre Symptomatik oder Sensibilitätsstörungen, ausschließlich untere Extremität betroffen, symmetrischer Befall, Myoklonien, Chorea, fokale Dystonien, Tics; an DD denken!

5. Stand, Gleichgewicht, Gangbild:

  • gebeugte Haltung
  • Antepulsion (Fallneigung nach vorne)
  • Gang kleinschrittig, langsam und schleppend
  • hohe Wendeschrittzahl (Umkehrschwierigkeit)
  • verminderte Mitbewegung der Arme
  • Freezing (Blockierung der Bewegung, insb. Startschwierigkeiten)
  • Paradoxe Kinesie (plötzliche Verbesserung der Beweglichkeit)
  • posturale Instabilität (Störung gleichgewichtshaltender Reflexe)

CAVE: Atypisch sind Stürze früh im Verlauf, frühes Angewiesensein auf Rollstuhl, schwere hypotensive Orthostase; an DD denken!

 

normal

Ausschluss von Hirntumor, Normaldruckhydrozephalus o.ä.

 

  • Schellong-Test
  • Neuropsychologische Untersuchung
  • Kinesiologische Untersuchung von Tremor, Dyskinesien und Gangbild

Fakultativer Untersuchungen zur Bestätigung oder zum Ausschluss der Diagnose:

  • L-Dopa-Test
  • Apomorphin-Test
  • PET und SPECT (verminderte Aufnahme von 18-Fluordopa in der Substantia nigra, schon Jahre vor Auftreten der ersten Symptome nachweisbar)
  • Riechprüfung
  • transkranieller Doppler
  • Lumbalpunktion

 

 

 

 

 
 Symptome und Befunde
 

(mind. 2 der 3 müssen erfüllt sein):

1.

Rigor

2.

Ruhetremor (4-6 Hz)

3.

Bradykinese

(fakultativ, da oft erst im Verlauf):

1.

Standunsicherheit

2.

gebeugte Rumpfhaltung

3.

Freezing (Blockierung von Bewegungen)

für weitere Details s. Diagnostik

 

 
 Verlauf und Prognose
 

Schwere der Behinderung (5-Punkte-Skala nach Hoehn und Yahr):

  1. keine sichtbaren funktionellen Krankheitszeichen
  2. einseitige Symptomatik
  3. leichte bis mäßige Behinderung
  4. schwere Behinderung
  5. an Rollstuhl gefesselt oder bettlägerig

Frühsymptome sind oft Schmerzen in den Extremitäten und depressive Verstimmung.

Die typische Symptomatik entwickelt sich allmählich, anfangs meist asymmetrisch.

Meist steht die akinetisch-rigide Symptomatik im Vordergrund, es gibt aber auch tremordominante Verläufe, die sich langsamer entwickeln.

Verlauf in den ersten Jahren rascher, dann allmählich progredient.

 

10J-Mortalität 35%, ÜLZ ca. 13 Jahre, Tod meist infolge Pneumonie bei Aspiration

 

 

 
 Differentialdiagnosen
 

DD des M.Parkinson sind alle Parkinson-Syndrome:

1.

Parkinson Plus Syndrom i. R. von

2.

Parkinson-Syndrom i.R. heredodegenerativer Erkrankungen:

3.

Sekundäres Parkinson-Syndrom

 

 
 Therapien
 

1.

Rigor und Hypokinese; Sekundäreffekte: u.a. Hyperkinesien, psychotische Episoden) in Verbindung mit einer peripheren Hemmung der Dopadekarboxylase (z.B. Benserazid, Carbidopa)

2.

Dopaminagonisten, z.B. Bromocriptin oder Ropirinol

3.

COMT- Hemmer (Katecholamin-O-Methyltransferase)

4.

Anticholinergika (wirken gut bei Tremor)

5.

MAO-B-Hemmer (Monoamin-Oxidase Typ B), z. B. Selegilin

6.

Amantadin, ein Virostatikum, wirkt nicht auf Tremor)

zusätzlich evtl. Antidepressiva, Vasopressiva, atypische Neuroleptika etc.

CAVE: Die pharmakologische Behandlung ist komplex, die Medikamente haben erhebliche Sekundäreffekte!

Ziel der Behandlung ist es, ein Aktivitätsniveau zu erreichen, auf dem der Alltag bewältigt werden kann und nicht, eine normale neurologische Untersuchung zu erreichen.

Generell gilt: bei der Gabe eines neuen Medikamentes mit geringer Dosis beginnen und täglich langsam steigern ("low and slow").

Die Wahl der Medikamente hängt ab von Manifestationsalter, Krankheitsdauer, Vorhandensein kognitiver Symptome, motorischer Fluktuationen, Dyskinesien etc.

Die Therapie muss für jeden Patienten individuell eingestellt werden.

In den letzten Jahren hat sich zunehmend die Möglichkeit entwickelt, operativ einzugreifen:

1.

Ausschaltungsoperationen (Pallidotomie und Thalamotomie): Ausgleich gestörten Transmittergleichgewichts. Gefahr der Verletzung anderer Strukturen.

2.

Stereotaktische Implantation von Stimulationselektroden: Stimulation des ventralen Intermediärkernes des Thalamus bei Tremor, des inneren Pallidums bei Akinese und des Ncl. subthalamicus bei Akinese mit starkem ON-OFF-Phänomen. Vorteil: insb. Reversibilität und mögliche Anpassung der Stimulationsstärke

3.

experimentell: Transplantation von fetalem Gewebe

 

 
 Referenzen
 

Poeck 2001

Landis 2002

 

 

 
 Editorial
 

Wibke Janzarik

21.02.2004

Niels Halama (Editor)

Manuel Anhold, 06.03.2004

Cornelia Klappenecker, 11.03.2004

 

PRELIMINARY

Lizenz für freie Inhalte

 
 Kommentare
 
 
  Manuel Anhold schrieb am 08.10.2005 um 23:03 Uhr:
 

Hallo Wibke,

super recherchierter Artikel.
Ich habe lediglich eine Unklarheit bei der Ätiologie. Es gibt eine ganze Reihe sekundärer Parkinson-Formen: z.B. Manganismus, Drogen-induziert, postenzephalitisch (s. Pschyrembel u.a.). Im Artikel kommt m.E. nicht ganz heraus, ob du dich hier allein auf die idiopathische Form beziehst. Ich würde dies einleitend noch einmal klarstellen.


Ansonsten alles bestens.


Viele Grüße
Manuel

 
  Manuel Anhold schrieb am 08.10.2005 um 23:03 Uhr:
 

Hallo Wibke,

danke für einen Tollen Artikel, habe kleine Änderungen in der Einleitung vorgenommen (ICD10, Synonyme) und ein paar kleine stilistische und orthographische Ungereimtheiten ausgebügelt. Alles andere entnimmst du dem vorhergehenden Kommentar.

Viele Grüße
Manuel

 
  Cornelia Klappenecker schrieb am 08.10.2005 um 23:03 Uhr:
 

Hallo Wibke,

grosses Lob ! Ein sehr guter Artikel.
Natürlich konnte ich nicht alles nachprüfen, was Du geschrieben hast, aber so weit ich es checken konnte ist alles sachlich in Ordnung.
Ich hab ein paar typos korrigiert. Ansonsten hast du fast alle fachbegriffe gut erklärt, bradyphrenie (körp. unt. ) würde ich vielleicht noch erklären.
was sind eigentl. okulogyre Krisen (Diagnostik 2. Etappe)- hab ich jetzt nix drüber gefunden.
Aber alles in allem ein super Artikel !!!

Liebe Grüsse,

Cornelia.

 
 

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