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Medicle Datenbank: Sudeck-Dystrophie
 

 Einleitung
 

Morbus Sudeck

Komplex regionales Schmerzsyndrom Typ I

Sympathische Reflexdystrophie

Algodystrophie

complex regional pain syndrome (CRPS) type I [International Association for the Study of Pain (ISAP), 1994]

reflex sympathetic dystrophy syndrome (RSDS)

M89.0

Beim Morbus Sudeck handelt es sich um ein reaktives, chronisches und in drei überlappenden Stadien verlaufendes Erkrankungsbild mit atrophen und dystrophen Weichteil- und Knochenveränderungen distaler Gliedmaßenabschnitte multifaktorieller Genese und unklarem Pathomechanismus.
Die Erkrankung ist durch initial starke Schmerzen an einer oder mehrerer Extremitäten mit in spätem Stadium starker hin zum Funktionsverlust reichender Gelenkversteifung unter Schrumpfung von Haut, Sehnen und Muskulatur.

Variante: transitorische Osteoporose

 

 
 Epidemiologie
 

0.05% - 5%

praktisch aussschließlich Erwachsene

50. bis 60. Lebensjahr

m < w (in allen Altersklassen)

 

 
 Pathologie
 

Multifaktorielle Erkrankung mit den folgenden Ursachen:

Traumata (50%): Bagatelltraumata wie Kontusionen und Distorsionen, postoperativ nach chirurgischen Interventionen, Frakturen, Luxationen

spontan ohne äußere Ursache (25%)

andere (20%): Neuropathien, Koronarinsuffizienz/ Myokardinfarkt, Hyperthyreose, Entzündungen, Hirnerkrankungen (zentraler M. Sudeck)

iatrogen (5%): medikamentös (z.B. Barbiturate)

Im Vorfeld wird oft ein belastendes "life event" beobachtet:
Todesfälle, Krankheiten, soziale Schwierigkeiten; bei Kindern: Trennung von Bezugspersonen, instabile Familienverhältnisse, Schulprobleme

vegetative Labilität/Störungen

psychische Labilität:

  • Depressivität
  • Tendenz zur Somatisierung
  • Aggressionshemmung
  • emotionale Labilität

(Häfliger J, 6. Zürcher Schmerzkonferenz, 1997)

endokrine Fehlsteuerung

Unklarer Pathomechanismus
Es scheint sich um ein neurovegetatives Krankheitsbild mit reflektorischer lokalzirkulatorischer Durchblutungsänderung zu handeln. Zusätzlich sind regionale Stoffwechselstörungen sowie der lokaler Verlust von Isotonie, Isoionie und Eukolloidität für die Erkrankung beschrieben.

Der Morbus Sudeck wurde um 1900 von dem Hamburger Chirurgen Paul H.M.S. Sudeck ( 1866–1945 ) erstmals beschrieben.
Erste Fälle wurden bereits 1766 beobachtet. 1864 erfolgten die ersten Detailbeschreibungen eines entsprechenden Krankenbildes bei Soldaten, die Schussverletzungen im amerikanischen Bürgerkrieg. Sudeck beschrieb das Sudeck-Syndrom als "entgleiste Heilentzündung" und zog Parallelen zu den Symptomen einer Entzündung.

 

 
 Diagnostik und Workup
 

Trias: sensible, sympathische, motorische Störungen

Anamneses: Ursachenabklärung (v.a. vorgängiges Trauma)

Kardinalzeichen der Entzündung
Funktionelle Gelenkbeeinträchtigung
Atrophie von haut, Subkutis und Muskulatur

Stadium I

  • Röntgen: bland
  • Szintigraphie: starke Anreicherung

Stadium II

  • Röntgen: fleckige/diffuse Knochenatrophie
    bandförmige Aufhellung der subchondralen
    Spongiosa
fleckige Musterung und Faserung der metaphysären Spongiosa

Stadium III

  • Röntgen: gleichmäßig-diffuse Knochenatrophie
    (Entschattung )mit bleistiftfeinem
    Kompaktasaum

  • Thermogramm
  • Schweißsekretionsmessung (Seitenvergleich)
  • Computertomographie
  • Magnetresonanztomographie
  • Sympathikusblockade
  • Tc 99m-Diphosphonat 3-Phasenszintigrafie

 

 
 Symptome und Befunde
 

sympathische, motorische, sensible Störungen

  • chronisch, schlecht zu beherrschen
  • diffuser heftiger Brennschmerz (vgl. DD Kausalgie)
  • Hyperästhesie
  • Algodystrophie (schmerzhafte Organstörung)

distale Temperaturstörung

  • Hyperästhesie
  • Allodynie

  • Atrophie
  • Dystrophie
  • Zirkulationsstörung

übrige Symptomatologie: s. Stadien

 
 Verlauf und Prognose
 

Stadium I: Stadium der Inflammation (Akutstadium, SUDECK I)

Gesteigerter lokaler Gewebsstoffwechsel, livid-teigige Hautveränderungen, Weichteilödem, Funktionseinschränkung und Gelenkschwellung ohne Erguss, Hyperhidrose.
Leitsymptome sind: distale Temperaturstörung sowie starker Ruhe- und Bewegungsschmerz.

Stadium II: Dystrophie-Stadium (SUDECK II)

nach wenigen Wochen Regredienz von Schmerz, Überwärmung und Ödem, trophische Störungen mit Gewebeatrophie, derbes Weichteil- u. Gelenkkapselödem mit zunehmender Steifigkeit, kalte Zyanose, Glanzhaut, Nagelwuchsstörungen, Muskelschwund, Knochenschmerz

Stadium III: Atrophie-Stadium

nach Monaten Atrophie von Haut, Subkutis, Muskulatur und Schrumpfung beteiligter Gelenkkapseln mit erheblichem Bewegungsdefizit, Osteoporose, blasse und dünne Haut, Ödemrückbildung.

Stark variierende Krankheitsdauer:

  • Bei milden Formen Ausheilung nach einigen Wochen
  • meist jedoch jahrelanger Schmerz
  • z.T. lebenslange Krankheit
  • bei manchen Patienten wechselnde Intensität mit schubartigen exazerbationen und Remissionen

Das Stadium III ist durchschnittlich nach einigen Monaten erreicht und hat eine Dauer von 1-2 Jahren. Im weiteren Verlauf erfolgen spontane Heilung oder Persistenz der Atrophie.

Als Variante des M. Sudeck ist die transitorische Osteoporose durch Auftreten in Umgebung großer Gelenke (insb. Hüftgelenk) bei fehlenden Hauterscheinungen gekennzeichnet.

Invalidität

gravierend sind Veränderungen der Hand mit ggf. Invalidität

 

 
 Differentialdiagnosen
 

1.

Kausalgie: complex regional pain syndrom type II

2.

Schulter-Hand-Syndrom: Kombination aus Periarthritis humeroscapularis Sudeck-artiger Dystrophie

3.

Osteoporose

4.

Tiefe Venenthrombose: Paget-v.Schroetter-Syndrom

5.

Lymphödem: DD Mammakarzinom

6.

Borreliose

7.

Rheumatischer Formenkreis

8.

Osteomyelitis

 

 
 Therapien
 

1.

Physiotherapie und Ergotherapie (Ruhigstellung in Funktionsstellung, Hochlagerung, milde Kühlung, Kohlensäurebäder, Lymphdrainage, Elektrotherapie, Massage, Bindegewebsmassage, behutsame Krankengymnastik)

2.

Analgesie (topische Lokalanästhetika, TENS)

3.

Antiphlogistika

4.

frühe invasive Sympathikolyse

krankengymnastische/physikalische Maßnahmen bis zur Schmerzgrenze (Ultraschallanwendungen [Thomalske, 1991], Lymphdrainage), Selbstverantwortung und Aktivität des patienten, Kohlensäurebäder, manuelle Lymphdrainage, Elektrotherapie, TENS, "hands-off-treatment", vorsichtige manuelle Therapie, Ergotherapie, ggf. Schienenversorgung auch unter Quengelung

intensivierte Krankengymnastik mit aktiver/passiver Mobilisierung, Quengelung, funktionelle Ergotherapie, Kohlensäurebad, Elektrotherapie, TENS, aktive Krankengymnastik, Dehnübungen, manuelle Techniken zur Mobilisation, PNF, Funktionelle Bewegungslehre nach Kleinvogelbach, funktionelles Training nach Brügger, Haltungsschulung

1.

Kortikosteroide (z.B. 80 mg Methylprednisolon 4-5d) nach Infektionsausschluss

2.

Intravenöse Guanethidinblockaden

3.

Trizyklische Antidepressiva: z.B. Amitriptylin (Laroxyl®), Clomipramin (Anafranil®) bis 150 mg/d

4.

Antiepileptika: v.a. Gabapentin (Neurontin®) [Tremount-Lukats et al. 2000]

5.

Calcitonin (Studienlage nicht eindeutig)

6.

Biphosphonaten i.v. (z.B.Ostac®) (Varenna M et al. 2000)
Phenoxybenzamin (Dibenzyran®) zu nennen (Thoden 1987)

7.

Phenoxybenzamin (Dibenzyran®) (Thoden, 1987)

8.

Analgetika nach Bedarf

1.

Dimethylsulfoxid (Rheumabene®) topisch, 4x/d (Zuurmond WW, 1996)

2.

Therapeutische Lokalanästhesie (gute Erfolge): z.B. kontinuierliche (2-3 Wochen) kathetergestützte Blockaden des Ganglion stellatum oder des Plexus brachialis, Plexus lumbalis, N. femoralis, N. ischiadicus, kontinuierliche peri-/epidurale Blockaden

1.

Akupunktur

2.

Magnetfeldtherapie

3.

Autogenes Training, progressive Muskelrelaxation nach Jakobson

4.

psychologisch /psychotherapeutische Interventionen bei chronifiziertem Schmerz ("Schmerzgedächtnis")

 

 
 Referenzen
 

Roche Lexikon 2003 online

Niethard 2003, S. 318-319

Breusch 2002

Pschyrembel

Enderle 1990

Kock 2003

http://www.morbus-sudeck.de

http://www.sudeck-dystrophie.de

http://www.m-ww.de/krankheiten/schmerz/sudeck.html

 
 Editorial
 

Manuel Anhold

28.01.2004

Tobias Schäfer (Editor)

Andreas Stefan Welker, 02.02.2004

PRELIMINARY

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1 - überprüft

 
 Kommentare
 
 
  Andreas Stefan Welker schrieb am 02.02.2004 um 20:40 Uhr:
 

Auch dieser Artikel ist ausführlich und trotzdem übersichtlich gestaltet. Soweit ich sehen kann, ist alles in Ordnung, deshalb von meiner Seite keine Änderungen oder Anmerkungen.