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Umverteilungsstörung:
Stimulation der Glykolyse führt zur Bildung phosphorylierter Kohlenhydrate in Leber und Skelettmuskel. Als Quelle für die benötigten Phosphatgruppen dient anorganisches Phosphat aus dem Serum; der Serumphosphatspiegel verringert sich daher, ebenso die Urinausscheidung von Phosphat. Dies passiert in den folgenden Situationen:
- vermehrte Insulinsekretion, v.a. während des "Refeeding":
Bei Normalpersonen führt die Gabe von Insulin oder Glukose (mit konsekutiver Freisetzung von Insulin) ebenso wie die Gabe von Glukogon und Adrenalin zu einer geringen Hypophosphatämie. Bei vorhandener Phosphatdepletion kommt es jedoch zu einer schweren Hypophosphatämie, insbesondere bei der Behandlung einer diabetischen Ketoazidose oder nichtketotischen Hyperglykämie (bei der es aufgrund der Glukose-induzierten osmotischen Diurese zu einem Phosphatverlust über den Urin kommt), während der Ernährung von unterernährten Patienten (mit Alkoholismus oder Anorexia nervosa) und bei Hyperalimentation (siehe Refeeding-Syndrom)
- Akute respiratorische Alkalose
Der Abfall vom CO2-Partialdruck bei der akuten respiratischen Alkalose führt zu einem Anstieg des intrazellulären pH-Wertes, welcher die Glykolyse über Erhöhung der Phosphofructokinase-Aktivität aktiviert. Extreme Hyperventilation bei gesunden Menschen kann die Phosphatkonzentration bis auf 1,0 mg/dl (0,32 mmol/l) senken; dies ist wahrscheinlich die häufigste Ursache für Hypophosphatämie bei hospitalisierten Patienten. Auch die erfolgreiche Asthmabehandlung kann zu einer leichten Hypophosphatämie führen.
Die respiratorische Alkalose kann der auslösende Faktor für die Hypophosphatämie-induzierte akute Rhabdomyolyse bei Alkoholikern sein. Die Hypophphosphatämie kann dabei initial durch austretendes Phosphat aus geschädigten Muskelzellen maskiert werden.
- "Hungry bone"-Syndrom
Parathyroidektomie oder (seltener) Thyroidektomie (aufgrund Hyperparathyreoidismus) bei Patienten mit präexistierender Osteopenie kann in der postoperativen Periode zu einer vermehrten Ablagerung von Calcium und Phosphat im Knochen führen. Dieses "Syndrom des hungrigen Knochens" kann mit symptomatischer Hypokalzämie und Hypophosphatämie einhergehen.
- nach Hypothermie
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Verminderte intestinale Resorption:
Gesunde Erwachsene nehmen am Tag 800 bis 1.500 mg Phosphat zu sich, ein Überschuss im Vergleich zum resorbierten Anteil. Eine minimale Regulation der Absorption erfolgt über Calcitriol, das die Aufnahme stimuliert. Ca. 80 % des aufgenommenen Phosphates wird im Dünndarm aufgenommen. Es werden ca. 150 - 200 mg pro Tag im Kolon sezerniert.
- Inadäquate Aufnahme
sehr selten Ursache für schwere Phosphatdepletion, da die Niere sehr schnell gegenreguliert und eine 100%ige Reabsorption im Tubulus erreicht (Phosphatexkretion im Urin ist dann 0). Bei lang andauernder und schwerwiegender Phosphatdepletion (weniger als 100 mg/d) kann die Kolonsekretion des Anions zur Hypophosphatämie führen. Zusätzlicher Durchfall kann die negative Phosphatbilanz noch verstärken; eine Resorptionsstörung von Vitamin D führt zu einer erhöhten renalen Phosphatausscheidung.
Strenges Hungern führt nicht zu einer Hypophosphatämie, da aufgrund des fehlenden Insulins sich die Zellen im katabolen Zustand befinden und eher Phosphat freisetzen. Das Refeeding-Syndrom ist zu beachten.
- Aluminium- oder Magnesiumhaltige Antazida:
Bindung des aufgenommenen und sezernierten Phosphates und Komplexierung zu unlöslichen Salzen. Lang andauernde Hochdosisbehandlung führt zu Hypophosphatämie, Osteomalazie und Myopathie.
- Steatorrhoe und chronischer Durchfall:
können aufgrund der verminderten intestinalen Phosphataufnahme und erhöhter renaler Ausscheidung (aufgrund eines sekundären Hyperparathyreoidimus bei begleitendem Vitamin-D-Mangel) zu einer moderaten Hypophosphatämie führen.
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Vermehrte Urinexkretion:
Wichtigstes Organ in der Phosphathomöostase. 60-70% des filtrierten Phosphates werden im proximalen Tubulus reabsorbiert, weitere 10-15% im distalen Tubulus. Die Reabsorption von Phosphat erfolgt über einen luminalen Natrium-Phosphat-Cotransporter. Die Regulation erfolgt einerseits über die Serum-Phosphatkonzentration (eine milde Hypophosphatämie stimuliert den Natrium-Phosphat-Cotransporter einschliesslich einer vermehrten Synthese neuer Transportproteine), andererseits über das Parathormon (PTH), das die Phosphatexkretion über eine Verminderung der Phosphatreabsorption erhöht (Mechanismus unbekannt). Der Hypophosphatämie-induzierte Phosphatrücktransport schützt vor weiteren Verlusten; Störungen liegen entweder in einem Hyperparathyreoidismus oder in einem intrinischen Defekt der Phosphatreabsorption:
- Primärer Hyperparathyreoidismus und sekundärer Hyperparathyroidismus:
Alle Ursachen einer PTH-Hypersekretion können zur Hypophosphatämie führen. Die meisten Patienten mit primärem Hyperparathyreoidismus weisen eine milde Hypophosphatämie auf, bei sekundärem Hyperparathyreoidismus und Vitamin-D-Defizienz sind die Symptome meist schwerwiegender, da nicht nur die renale Phosphatexkretion vermehrt und die gastrointestinale Resorption vermindert ist.
- Vitamin D-Defizienz / Resistenz
Verminderung der gastrointestinalen Phosphatabsorption und Auftreten eines sekundären Hyperparathyreoidismus mit vermehrter renaler Phosphatexkretion und Hypokalzämie. Ursachen des Vitamin-D-Mangels: verminderte Aufnahme, Absorptionsstörungen, verminderte Sonnenlichtexposition, vermehrter hepatischer Katabolismus, verminderte endogene Synthese, Endorganreistenz.
- Primärer renaler Phosphatverlust
oft isolierte Hypophosphatämie mit Auftreten von Rickets (=Knochenerweichungen), jedoch ohne Hypokalzämie (DD Vitamin-D-Mangel). Beispiele für solche Symptome:
- Vitamin-D-resistente Rachitis (X-chromosomale hypophosphatämische Rachitis): Defekt des proximalen tubulären Phosphattransportes aufgrund einer Mutation im PHEX-Gen, das für eine Endopeptidase kodiert. Diese Endopeptidase soll an der Degradierung eines putativen Hormones (Phosphatonin) beteiligt sein, welches die renale proximal-tubuläre Phosphatreabsorption hemmen soll.
- Autosomal-dominante hypophosphatämisch Rachitis: Mutationen im FGF23-Gen (fibroblast growth factor 23, Chromosom 12p13, ev. identisch mit Phosphatonin).
- Tumor-induzierte Osteomalazie: mesenchymale Tumoren, u.a. die sklerosierende Form des Hämangioperizytoms, produzieren ein phosphaturisches Hormon, möglichweise FGF-23, extrazelluläres Matrix-Phosphoglykoprotein (MEPE) oder frizzled-related protein-4.
- Sehr selten: Fibröse Dysplasie / McCune-Albright-Syndrom: Mutationen in der α-Untereinheit eines stimulierenden G-Proteins, ev. mit konsekutiver exzessiver FGF-23-Produktion
- Mutationen im Typ 2a Natrium-Phosphat-Kotransporter: Hypophosphatämie, renaler Phosphatverlust, Nephrolithiasis, und/oder Osteoporose.
- Fanconi-Syndrom: generalisierte Funktionsstörung des proximalen Tubulus mit Hypophosphatämie, Glukosurie, Hypourikämie, Aminoacidurie, renal-tubulärer Azidose Typ II (Bicarbonat-Verlust). Calcitriol-Spiegel sind entweder niedrig oder unangemessen normal. Auftreten selten bei Erwachsenen, oft bei Multiplem Myelom (toxische Wirkung der Immunoglobulin-Leichtketten). Bei Kindern: Zystinose, Morbus Wilson, hereditäre Fruktoseintoleranz als häufigste Ursachen
- Andere Faktoren: osmotische Diurese (v.a. bei Glukosurie), proximal wirkende Diuretika wie Acetazolamid und Thiazide mit Carboanhydrase-inhibierender Wirkung wie Metolazone) sowie akute Volumenexpansion (Abnahme der proximalen Natriumreabsorption).
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